Seiteninhalt
Veranstaltungen
Historiker aus der Villa ten Hompel untersuchen vergessene Verbrechensorte des Holocaust in Osteuropa
Chelmno (Kulmhof) war einer der Haupttatorte des Holocaust, heute erinnert ein Denkmal an die vielen Ermordeten.
Auschwitz, das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager in Polen, ist zum Synonym für den Holocaust geworden. Allein hier ermordete das nationalsozialistische Deutschland mehr als eine Million Juden aus ganz Europa. Doch wer kennt heute noch historische Verbrechensorte wie Kulmhof, Treblinka, Trostenez oder Babyn Jar?
Thomas Köhler, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geschichtsort Villa ten Hompel und Michael Sturm von der an die „Villa“ angeschlossenen Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (mobim) haben sich zusammen mit weiteren Fachkollegen aus ganz Deutschland im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung auf den Weg nach Osteuropa gemacht, um diese (fast) vergessenen Orte nationalsozialistischer Massenmorde zu erkunden.
Zwei Wochen lang dauerte die Reise durch Polen, die Ukraine und Belarus (Weißrussland). Jenseits von Auschwitz besuchte das Team ein Dutzend Orte, an denen zwischen 1939 bis 1944/45 mehr als 2,5 Millionen Juden, aber auch Sinti, Roma, Menschen mit Behinderungen und sowjetische Kriegsgefangene ermordet wurden. Im polnischen Chelmno (damals eingedeutscht Kulmhof) etwa töteten SS-Männer und uniformierte Polizisten mindestens 150.000 Juden, indem man die Opfer in LKW pferchte und in das Wageninnere die Abgase des Motors leitete. Im ostpolnischen Vernichtungslager Treblinka starben mehr als 900.000 Menschen in den Gaskammern. In den Wäldern um Trostenez in der Nähe von Minsk im damaligen Weißrussland und in der Schlucht von Babyn Jar am Stadtrand der ukrainischen Hauptstadt Kiew erschossen Angehörige von SS und Polizei, die in der Forschung auch als „Weltanschauungskrieger“ und „Mörder in Uniform“ bezeichnet werden, bei Massenerschießungen etliche Zehntausend Jüdinnen und Juden, vom Säugling bis zum Greis. Um die Spuren der Verbrechen für die Nachwelt zu vertuschen, wurden die Millionen von Leichen verbrannt, die meisten von ihnen auf riesigen Scheiterhaufen. Diese Verbrechen und die Beteiligung westfälischer Polizisten an ihnen werden auch in der Dauerausstellung im Geschichtsort Villa ten Hompel thematisiert.
An einigen der aufgesuchten Verbrechensorte befinden sich heute Gedenkstätten und Dokumentationszentren, an vielen der Orte aber gibt es aber bis heute zum Teil nur kleine Hinweistafeln, die zudem häufig antisemitisch geschändet werden.
Im nächsten Jahr wird bei der Bundeszentrale für politische Bildung ein Buch zu den vergessenen Orten nationalsozialistischer Massenmorde in Osteuropa in historischer und aktueller Perspektive erscheinen. Mit Hilfe der Publikation soll auch jenseits der Forschung in einer breiten Öffentlichkeit versucht werden, diese Orte in der deutschen und europäischen Erinnerung stärker zu verankern und aktuellen rechtsextremen und antisemitischen Einstellungen entgegenzuarbeiten. Zudem sind Bildungsfahrten zum Beispiel mit Gruppen der Polizei geplant.