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Empfehlung im Mai von Monika Steffens
Cătălin Mihulaec: Oxenberg und Bernstein
Jasi in Rumänien 2001: Die jüdische Amerikanerin Dora Bernstein und ihr 50-jähriger Sohn Ben besuchen die Stadt; ihr Guide ist die Rumänin Suzy. Doras Familie betreibt einen lukrativen Handel mit Secondhand-Kleidung und "Vintage"-Stücken, oft nicht ganz Vintage. Suzy zieht nach Amerika, heiratet Ben und steigt mit ins Geschäft ein. Das ist eine Perspektive des Romans. Suzy erzählt ihre Geschichte in der Ich-Form, ironisch-souverän, denn "das Leben hat Vorrang. Es muss wieder in Gebrauch genommen werden. Gewaschen, gereinigt ..."
Die zweite Perspektive ist die Autorenerzählung, die um ein Ereignis aus dem Jahr 1941 kreist. In Jasi gibt es ein furchtbares Pogrom, ein Massaker an den Juden, begangen von den "christlichen" Rumänen - und nicht, wie später behauptet, von SS- und Nazitätern. Dieses Massaker ist historisch. Der Erzähler schildert das Schicksal der jüdischen Familie Oxenberg. Der Vater ist ein angesehener Gynäkologe, die Mutter eine kunstsinnige Frau, die rumänische Literatur ins Deutsche übersetzt. Schon in den 1930er Jahren werden Juden in Rumänien drangsaliert und schikaniert, lange bevor Rumänien an Hitlers Seite in den Krieg eintritt. Bis auf die Tochter Golda werden alle Oxenbergs ermordet; sie erlebt das Kriegsende in Wien.
Erst gegen Ende des Romans werden beide Erzählstränge zusammengeführt.
Absolut faszinierend ist die Sprache des Autors. Sie ist ungeheuer direkt, drastisch, unverblümt und unversöhnlich gegen die Gräuel und die Gewalt. Mihuleac erzählt mit bitterböser Ironie und einem Sarkasmus, der aus Wut gegen die Obszönität der dumpfen Gewalt und des Krieges geboren ist. Er schafft damit ganz neue Bildwelten, erschütternd und aufrührend.
Dennoch: "Das Leben hat Vorrang", es geht nun mal weiter. Und so ist das Ende des Romans fast wie "gewaschen, gereinigt, in Fasson gebracht und frisch gebügelt".
Der Übersetzer, Ernst Wichner, ist Rumäniendeutscher, Autor, Dichter und Herausgeber der Werke Oscar Pastiors. Einen besseren Übersetzer hätte sich C. Mihuleac wohl nicht wünschen können.