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Veranstaltungen
PD Dr. Frank Bajohr
Erkenntnisse zur "nationalsozialistischen Einsatzreligion"
Neuere Entwicklungstendenzen und Perspektiven der Holocaust-Forschung
(20.5.2015) Mit Frank Bajohr war am 13. Mai 2015 ein "alter Freund der Villa ten Hompel", so Leiter Christoph Spieker in seiner Begrüßung, zu Gast am Kaiser-Wilhelm-Ring in der Reihe "Mittwochsgespräche", in der neueste Entwicklungen und Perspektiven der Holocaust-Forschung vorgestellt und diese mit dem Fokus auf die Edition der jüngst entdeckten politischen Tagebücher Alfred Rosenbergs neu bewertet wurden.
PD Dr. Frank Bajohr ist wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte in München. Zuvor war er u.a. Fellow am International Institute for Holocaust Research in Yad Vashem in Jerusalem, Israel.
Die internationale Holocaust-Forschung ist seit zwanzig Jahren durch dynamische Entwicklungen und Paradigmenwechsel gekennzeichnet. Der Mittelpunkt der Forschung liegt geographisch aktuell im Bereich Osteuropa, wo an Hunderten und Tausenden von dezentralen Orten der Völkermord im Kern durch SS, Polizei und Wehrmacht umgesetzt wurde. Frank Bajohr stellte zu Beginn die zahlreichen Quellenprobleme vor, die in der Holocaustforschung zu Tatorten in Osteuropa vorliegen.
Die vom Institut für Zeitgeschichte in München und dem US Holocaust Memorial Museum in Washington edierten Tagebücher Alfred Rosenbergs legen in bisher unbekanntem Ausmaß dessen Rolle in dem Prozess der Radikalisierung der Judenvernichtung offen. Sein politischer Einfluss stieg ab 1941, als Rosenberg die Funktion des Reichsministers für die besetzen Ostgebiete übernahm.
Welche Rückschlüsse lassen sich aus den Tagebuchaufzeichnungen ziehen, die teilweise lediglich aus zerstreuten Papierstücken bestanden? Aus Rosenbergs Tagebüchern und aus dem Vergleich mit Goebbels' Tagebüchen können neuartige Einblicke in die polykratische Herrschaftspraxis gewonnen werden. Zudem können sie als Form der "nationalsozialistischen Einsatzreligion" gelesen werden, wobei ihre Verfasser sich sogar als "Kirchenväter der NSDAP" bezeichneten.
(Antonia Cassiano, Praktikantin am Geschichtsort Villa ten Hompel und Studierende an der WWU Münster)