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Ortsrecht
Satzung zum Schutz und Erhalt von Wohnraum in Münster (Wohnraumschutzsatzung)
64.01
vom 14.02.2020 (Amtsblatt der Stadt Münster 2020 Nr. 5 S. 43)
Die Stadt Münster erlässt auf Grund § 10 Abs. 1 des Wohnungsaufsichtsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (WAG NRW), in der Fassung vom 10.04.2014 (GV NRW vom 29.04.2014, S. 269) in Verbindung mit § 7 Abs.1 und § 41 Abs. 1 der Gemeindeordnung NRW vom 14.07.1994 (GV NRW S. 666, SGV NRW 2023) in der Fassung des Gesetzes vom 11.04.2019 (GV.NRW. S. 202) folgende:
Satzung zum Schutz und Erhalt von Wohnraum im Gebiet der Stadt Münster - Wohnraumschutzsatzung
Präambel:
Im Gebiet der Stadt Münster besteht ein erhöhter Wohnungsbedarf. Auf der Grundlage der aktuellen Wohnungsmarktlage gehört die Stadt Münster seit 2012 zur Gebietskulisse der Kündigungssperrfristverordnung des Landes NRW. Ebenso ist die Stadt Münster seit 2014 ein von der Landesregierung festgelegtes Gebiet, in dem die Kappungsgrenze gemäß § 558 des Bürgerlichen Gesetzbuches auf 15% abgesenkt ist. In Anbetracht der weiter wachsenden Einwohnerzahl ist die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen gefährdet. Daher wird die vorliegende Satzung zum Schutz und Erhalt von Wohnraum für weitere fünf Jahre erlassen.
§ 1 Gegenstand der Satzung
(1) Die Satzung hat den Schutz von Wohnraum vor ungenehmigter Zweckentfremdung zum Inhalt. Freifinanzierter Wohnraum im Gebiet der Stadt Münster, der am 20.03.2015 Wohnraum war oder danach wurde, darf nicht ohne Genehmigung anderen als Wohnzwecken zugeführt werden oder leer stehen.
(2) Ehemals geförderter Wohnraum ist von dieser Satzung betroffen, sobald seine Zweckbindung gemäß den Bestimmungen des Gesetzes zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land NRW-WFNG NRW (§§ 22 u. 23) entfällt bzw. bereits entfallen ist.
§ 2 Wohnraum
(1) Wohnraum im Sinne dieser Satzung ist umbauter Raum, der tatsächlich und rechtlich zur dauernden Wohnnutzung geeignet und vom Verfügungsberechtigten dazu bestimmt ist. Es kann sich hierbei um Wohngebäude, Wohnungen oder einzelne Wohnräume handeln (vergl. § 3 Nr. 1 WAG NRW).
(2) Tatsächlich und rechtlich, und damit objektiv, zur dauernden Wohnnutzung geeignet sind Räume, wenn sie alleine oder zusammen mit anderen Räumen die Führung eines selbständigen Haushalts ermöglichen.
Die subjektive Bestimmung, d.h. die erstmalige Widmung oder spätere Umwidmung, trifft die/der Verfügungsberechtigte ausdrücklich oder durch nach außen erkennbares schlüssiges Verhalten, z.B. durch die erstmalige Nutzung zu Wohnzwecken oder durch entsprechende Umwidmung.
(3) Wohnraum im Sinne dieser Satzung liegt nicht vor, wenn
1. der Raum dem Wohnungsmarkt nicht allgemein zur Verfügung steht, weil das Wohnen in einem engen räumlichen Zusammenhang an eine bestimmte Tätigkeit geknüpft ist (z. B. Wohnraum für Aufsichtsperson auf einem Betriebsgelände, Hausmeisterwohnung),
2. der Raum bereits vor dem 20.03.2015 und seitdem ohne Unterbrechung anderen zu Wohnzwecken diente,
3. die Räume (noch) nicht bezugsfähig sind bzw. nach der Fertigstellung noch nicht zu Wohnzwecken genutzt wurden,
4. baurechtlich eine Wohnnutzung nicht zulässig ist,
5. der Wohnraum einen vom Verfügungsberechtigen nicht zu vertretenden, schweren Mangel bzw. Missstand aufweist, und ein ordnungsgemäßer Zustand nicht mit einem objektiv wirtschaftlichen und zumutbaren Aufwand wieder hergestellt werden kann. Wirtschaftlich zumutbar sind bauliche Maßnahmen, bei denen die damit verbundenen laufenden Aufwendungen (Kapital- und Bewirtschaftungskosten) durch entsprechende Erträge insbesondere auch durch Inanspruchnahme öffentlicher oder sonstiger Fördermittel gedeckt werden können.
6. der Wohnraum aufgrund der Umstände des Einzelfalls nachweislich nicht mehr vom Markt angenommen wird, z. B. wegen seiner Größe, seines Grundrisses oder aufgrund von unerträglichen Umwelteinflüssen.
§ 3 Zweckentfremdung
(1) Wohnraum wird zweckentfremdet, wenn er durch die Verfügungsberechtigte/den Verfügungsberechtigten und/oder die Nutzerin/dem Nutzer anderen als Wohnzwecken zugeführt wird oder der Wohnraum leer steht oder abgebrochen werden soll. Eine Zweckentfremdung liegt insbesondere vor, wenn der Wohnraum
1. überwiegend für gewerbliche oder berufliche Zwecke verwendet oder überlassen wird,
2. für die Zwecke einer gewerblichen Zimmervermietung oder für Zwecke der Fremdenbeherbergung (z.B. Ferienwohnungsnutzung) überlassen oder genutzt wird. Eine gewerbliche Zimmervermietung liegt vor, wenn der Wohnraum von einem gewerblichen Zwischenmieter oder vom Eigentümer jeweils nur für kurze Dauer an häufig wechselnde Nutzer überlassen wird und dabei eine Miete erzielt wird, die bei einer auf Dauer angelegten Vermietung nicht zu erzielen wäre. Eine Überlassung nur für kurze Dauer an häufig wechselnde Nutzer liegt insbesondere vor, wenn diese die Räume nur vorübergehend ohne Meldung als Wohnsitz nutzen.
3. baulich derart verändert oder in einer Weise genutzt wird, dass er für Wohnzwecke nicht mehr geeignet ist,
4. länger als 3 Monate leer steht,
5. ganz oder teilweise abgebrochen wird.
(2) Eine Zweckentfremdung liegt nicht vor, wenn
1. Wohnraum nachweislich zügig umgebaut, instand gesetzt oder modernisiert wird oder veräußert werden soll und deshalb vorübergehend, jedoch nicht länger als 6 Monate, unbewohnbar ist oder leer steht,
2. eine Wohnung durch die Verfügungsberechtigte/den Verfügungsberechtigten oder die Nutzerin/ dem Nutzer zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken mitbenutzt wird,
insgesamt jedoch die Wohnnutzung überwiegt (über 50 %. der Fläche) und Räume nicht im Sinne von Abs. 1 Nr.3 baulich verändert wurden,
3. Wohnraum nicht ununterbrochen genutzt wird, weil er bestimmungsgemäß der/dem Verfügungs-berechtigten ausschließlich als Zweitwohnung dient,
4. der Wohnraum mit anderem Wohnraum zur weiteren Wohnnutzung zusammengelegt oder der Wohnraum geteilt wird, eine Wohnung durch die Verfügungsberechtigte/den Verfügungsberechtigten oder die Nutzerin/dem Nutzer zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken mitbenutzt wird, insgesamt jedoch die Wohnnutzung überwiegt (über 50 %. der Fläche) und Räume nicht im Sinne von Abs. 1 Nr.3 baulich verändert wurden,
5. Wohnraum nicht ununterbrochen genutzt wird, weil er bestimmungsgemäß der/dem Verfügungsberechtigten ausschließlich als Zweitwohnung dient,
6. der Wohnraum mit anderem Wohnraum zur weiteren Wohnnutzung zusammengelegt oder der Wohnraum geteilt wird.
§ 4 Genehmigung
(1) Eine Genehmigung zur Zweckentfremdung wird auf Antrag erteilt, wenn vorrangige öffentliche Interessen oder besonders schutzwürdige private Interessen das Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums überwiegen.
(2) Eine Zweckentfremdungsgenehmigung aufgrund vorrangiger öffentlicher Belange wird insbesondere erteilt, wenn der Wohnraum zur Versorgung der Bevölkerung mit sozialen Einrichtungen (z. B. Erziehungs-, Ausbildungs-, oder Betreuungszwecke, gesundheitliche Zwecke) oder lebenswichtigen Diensten (z. B. ärztliche oder therapeutische Betreuung) verwendet werden soll, die gerade an dieser Stelle der Stadt Münster dringend benötigt werden und für die andere Räume nicht zur Verfügung stehen oder nicht zeitgerecht geschaffen werden können.
(3) Eine Zweckentfremdungsgenehmigung aufgrund überwiegender schutzwürdiger, privater Interessen kann insbesondere erteilt werden, wenn eine Versagung die Gefährdung der privaten oder beruflichen Existenz des Antragstellers zur Folge hätte.
(4) Eine Genehmigung wird bei bewohntem Wohnraum nur unter der aufschiebenden Bedingung erteilt, dass diese erst wirksam wird, wenn die Mieter/-innen den Wohnraum verlassen haben.
(5) Die Genehmigung wirkt für und gegen den/die Rechtsnachfolger/in; das Gleiche gilt auch für Personen, die den Besitz am Wohnraum nach Erteilung der Genehmigung erlangt haben.
§ 5 Genehmigung aufgrund von Ersatzraum
(1) Ein beachtliches und verlässliches Angebot zur Bereitstellung von Ersatzwohnraum lässt das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Wohnraums in der Regel entfallen, wenn die Wohnraumbilanz insgesamt wieder ausgeglichen wird.
(2) Ein beachtliches Angebot zur Errichtung von Ersatzwohnraum liegt vor, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Der Ersatzwohnraum wird im Gebiet der Stadt Münster geschaffen.
2. Der Ersatzwohnraum wird von der/dem Begünstigten der Zweckentfremdungsgenehmigung (Personenidentität) geschaffen.
3. Der Ersatzwohnraum wird in zeitlichem Zusammenhang mit der Zweckentfremdung neu geschaffen (kein Ersatzwohnraum aus dem Bestand oder auf Vorrat).
4. Der neu zu schaffende Wohnraum muss gleichwertig zum entfallenden Wohnraum sein. Er darf insgesamt nicht kleiner als der durch die Zweckentfremdung entfallende Wohnraum sein. Wohnungszuschnitte und Ausstattungsstandard des neuen Wohnraums dürfen nicht in einer für den allgemeinen Wohnungsmarkt nachteiligen Weise von denen des entfallenden Wohnraums abweichen.
(3) Ein verlässliches Angebot zur Errichtung von Ersatzwohnraum liegt vor, wenn sich seine öffentlich-rechtliche Zulässigkeit aus prüfbaren Unterlagen ergibt und die Antragstellerin bzw. der Antragsteller glaubhaft macht, dass sie bzw. er das Vorhaben finanzieren (z.B. mittels Bankbürgschaft) kann.
§ 6 Entrichtung von Ausgleichsbeträgen
(1) Die Zweckentfremdungsgenehmigung kann insbesondere bei Vorliegen eines überwiegenden schutzwürdigen, privaten Interesses unter der Auflage zur Entrichtung einer einmaligen oder laufenden Abstandssumme erteilt werden. Mit der Abstandssumme soll die durch die Zweckentfremdung bedingten Mehraufwendungen der Allgemeinheit für die Schaffung neuen Wohnraums kompensiert und so ein Ausgleich für den Verlust an Wohnraum geschaffen werden. Die Ausgleichsbeiträge werden zweckgebunden für die Förderung der Schaffung neuen Wohnraums in Münster eingesetzt.
(2) Die Abstandssumme wird pro Quadratmeter zweckentfremdeten Wohnraums in Höhe des jeweiligen Fördersatzes, der für die Erstellung von öffentlich-geförderten Mietwohnraum, Einkommensgruppe B, in Münster gilt, festgesetzt.
(3) Bei nur vorübergehendem Verlust des Wohnraums ist in der Regel eine laufende, monatlich zu entrichtende Abstandssumme in Höhe der Differenz zwischen der Miethöhe für neu geförderte Wohnungen der Einkommensgruppe B und dem Oberwert der Mietspanne für vergleichbaren Wohnraum in Münster, mindestens jedoch 2,00 Euro pro Quadratmeter, zu entrichten.
§ 7 Nebenbestimmungen
(1) Die Genehmigung zur Zweckentfremdung von Wohnraum kann befristet, bedingt oder unter Auflagen erteilt werden.
(2) Ist aufgrund einer Nebenbestimmung die Wirksamkeit einer Genehmigung erloschen, so ist der Raum wieder als Wohnraum zu behandeln und Wohnzwecken zuzuführen.
§ 8 Negativattest
Bei Maßnahmen, für die eine Genehmigung nicht erforderlich ist, weil schützenswerter Wohnraum nicht vorhanden ist oder eine Zweckentfremdung nicht vorliegt, wird auf Antrag ein Negativattest ausgestellt.
§ 9 Mitwirkungs-, Auskunfts- und Betretungsrecht
(1) Die dinglich Verfügungsberechtigten und die Nutzungsberechtigten des Wohnraums haben den Bediensteten der Stadt Münster die Auskünfte zu geben und die Unterlagen vorzulegen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Vorschriften dieser Satzung zu überwachen. Sie haben ihnen dazu zu ermöglichen, Grundstücke, Gebäude, Wohnungen und Wohnräume zu betreten.
(2) Auf der Grundlage des § 11 Abs. 4 WAG NRW sowie dieser Satzung wird das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Grundgesetz) eingeschränkt.
§ 10 Anordnungen
(1) Bei einer ungenehmigten Zweckentfremdung von Wohnraum kann der/dem Verfügungsberechtigten bzw. der Nutzerin/dem Nutzer aufgegeben werden, die Zweckentfremdung in angemessener Frist zu beenden und den Wohnraum wieder Wohnzwecken zuzuführen.
(2) Ist Wohnraum durch bauliche Veränderungen oder durch fortlaufende unterlassene Instandhaltung unbewohnbar geworden, kann die Wiederherstellung des früheren oder eines gleichwertigen Zustandes des Wohnraums angeordnet werden.
§ 11 Ordnungswidrigkeiten
Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieser Satzung werden nach § 13 WAG NRW als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet.
§ 12 Verwaltungsgebühren
Amtshandlungen nach dieser Satzung sind gebührenpflichtig. Die Höhe der Gebühren richtet sich nach der Verwaltungsgebührensatzung der Stadt Münster in der jeweils gültigen Fassung.
§ 13 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Die Satzung tritt am Tag nach ihrer Bekanntmachung im Amtsblatt der Stadt Münster in Kraft. Sie tritt fünf Jahre nach ihrer Veröffentlichung außer Kraft.