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Empfehlung im März von Prof. Dr. Ferdinand Menne
Linn Ullmann: Die Unruhigen
Es ist nicht eben leicht, Tochter eines Weltstars (Liv Ullmann) und des "größten Regisseurs aller Zeiten" (Ingmar Bergmann) zu sein. Linn Ullman aber hat es geschafft, aus dem Schatten ihrer Eltern herauszutreten. Sie sieht sich (mit allem Recht) als eigenständig an und bittet darum, nicht "in dieses ewige Mutter- und Vater-Schema" eingesperrt zu werden." " … das schmälert meine Arbeit als Schriftstellerin".
Linn Ullmann spricht daher nur ungern "direkt" über ihre Eltern. Ihr sechster Roman verarbeitet erkennbar Stoffe ihrer Lebensgeschichte. Verarbeitet: Sie folgt einer Bemerkung ihres Vaters über seine eigenen Texte: "Ich habe übertrieben, hinzugefügt, weggenommen und umgestellt, aber wie so oft bei dieser Art von Spielen ist das Spiel vermutlich deutlicher geworden als die Wirklichkeit." Linns Mutter sagt Ähnliches: "Manches ist erdichtet, manches ist gelogen, vieles ist wahr."
Die Gattungsbezeichnung "Roman" ist berechtigt (das ist eine andere Textsorte, als "Memoiren" oder "Biografie", wie Robert Menasse gerade erfahren musste). Gleichwohl fragt man sich, wer dieser Filmemacher war, der sechs Frauen und neun Kinder hatte, um die er sich (jedenfalls nach den Erwartungen seiner Mit- und Umwelt) kaum kümmerte. Man fragt sich auch nach der Mutter, deren Motto lautete: "Mannsbilder over and out". Linn Ullmann fasst zusammen: "Ich hatte Eltern, die einfach nicht erwachsen wurden."
Ingmar Bergmann führte, weil er keine Kraft mehr zum Schreiben spürte, Gespräche mit seiner Tochter Linn über das Altern, über das Alter als "harte Arbeit" mit "sehr langen Arbeitszeiten". Man liest, wie ein Mann sich aus sich selbst zurückzieht, wie er verfällt, aber Geheimnis und seine Würde wahrt, für die Tochter, wie für den Leser. Das Buch stellt die Kunstfigur eines genialen (genialischen?) Künstlers und die ihn umgebenden, ihn zentral unterstützenden Frauen dar. Als etwas Besonderes, aber auch in seinen allgemeinmenschlichen Anteilen.