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Freundeskreis
Empfehlung im März 2022 von Prof. Dr. Ferdinand Menne
Friedrich Christian Delius: Wenn die Chinesen Rügen kaufen, dann denkt an mich
Da wird ein Mann, ein Wirtschaftsjournalist, "gefeuert, rausgeschmissen, freigesetzt". Nach vielen Jahren "Fron und Fakten, Zahlen und Meinungsservice". Sie haben ihn "Kassandra" genannt. Jetzt tuscheln sie, dass er ungewollt in Rente gehe. Er fühlt sich wie die Greise, die im alten Rom vom Tarpejischen Felsen gestoßen wurden, wenn sie nicht einmal mehr die Ziegen melken konnten.
Um nicht zu versauern, nicht depressiv zu werden, beginnt "Kassandra" eine Art Tagebuch, dessen Vorteil es ist, dass man die eigenen Dummheiten von denen der übrigen Welt zu trennen lernt – auch wenn man dabei weiter zum Einzelgänger wird. Die Enkelin Lena wird – das hofft er jedenfalls – seine Notizen und Skizzen wissbegierig lesen mit der Frage: Habt ihr das alles nicht geahnt (oder gewusst)?
"Das alles" ist, neben Stichworten von Angela Merkel bis zum Griechen Varoufakis, vor allem die Eroberungslust und das Faktenschaffen der Chinesen. "Aus Dummheit lassen wir uns von chinesischen Firmen erobern oder erleichtern ihnen zumindest die Eroberungen." Im Traum sieht der Autor die Zeile "Wenn die Chinesen Rügen kaufen". An ihm soll es nicht liegen, wenn man die Augen verschließt vor dem Kommenden ("… dann denkt an mich!")
"Europa pennt, und die dummen Deutschen, die Autodeppen vor allem, sind geblendet vom Stolz, immer noch ein paar viel zu dicke Autos den Chinesen zu verkaufen". Auf ARTE sei berichtet worden, 150 Weingüter aus Bordeaux seien inzwischen in chinesischem Besitz.
"Kassandra" besteht auf der Frage: Wollt ihr den "konfuzianisch-kommunistischen, digital-diktatorischen Kapitalismus?" ("Habe genug von diesem Alleserklärer, Allesverklärer, von dieser Allzweckwaffe Konfuzius.") Er sagt sich, er brauche nicht originell zu sein, nur widerborstig, "heiter wider=borstig". Und er reklamiert für sich ein Recht auf Irrtum. Und er bilanziert: "(Fast) ein Jahr mein eigener Pausenclown, das reicht".
Nach dem Gesagten könnte man meinen, das Buch sein eine kulturkritische Abhandlung. Die ist es auch. Aber F. C. Delius hat auch einen grimmigen Humor, sagt vieles mit Fontaneschem "heiteren Darüberstehen". Eben "heiter widerborstig"
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