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Empfehlung im Oktober 2021 von Prof. Dr. Ferdinand Menne
Benjamin Moser: Sontag - Die Biografie | Sigrid Nunez: Sempre Susan - Erinnerungen an Susan Sontag
Susan Sontag war das, was man eine Ausnahmeerscheinung zu nennen pflegt. Auch wurde sie oft als "Solitär" bezeichnet - ein einmaliges, edel gefaßtes Schmuckstück.
Benjamin Moser hat (2019/2020) eine 925 Seiten umfassende Monografie über sie geschrieben, die er selbstbewußt als "Die Biografie" bezeichnet. Man muß ein besonderes Interesse an dieser amerikanischen Ikone haben, will man sich durch diesen (1305 Gramm schweren) Brocken durchbeißen. 2020 wurde er dafür mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.
Es gibt eine kleine Alternative der Schriftstellerin Sigrid Nunez. Das kleine Buch (141Seiten, 220 Gramm ) hat den Titel "Sempre Susan - Erinnerungen an Susan Sontag". Nunez lebte längere Zeit mit dem von seiner Mutter vergötterten Sohn Sontags, von dem sie sich wieder trennte. Sie erinnert sich also aus großer Nähe, fasziniert und verunsichert.
Der Titel ist zweifach verstehbar: "Susan (herausragend) für alle Zeit" oder"Iimmer geht es (nur) um Susan". Nunez spricht von Susan Sontags Heißhunger auf das Leben, von ihren kaum zählbaren Beziehungen/Affären (sie war - sich als bisexuell verstehend - schnell entflammt, meistens aber nach kurzer Zeit abgekühlt). Sie war eine "öffentliche Person" mit großem Anhang, die Jubel und Trubel um ihre Person genießt und verabscheut, die sich gleichwohl zeitlebens vor dem Alleinsein fürchtet, die hektisch reist, um der Einsamkeit zu entkommen, die ihren Sohn David "mit Beschlag belegt", die sein "Lebensmensch" seine möchte (Kumpel und Kind allerdings lieber als Mutter).
Sie durchsteht mehrere Krebserkrankungen, sucht sie und ihren symbolischen Gehalt zu verstehen, leidet dann aber wieder "wie ein Hund". Ihr Sterben und Tod werden öffentlich beredet und beklagt, und doch stirbt sie wie nicht wenige Künstler eher kläglich. Sie ist ein "moderner Mensch" mit mehreren Seelen in ihrer Brust (und möchte doch als Künstlerin und Mitmensch geradlinig und nicht schwierig sein).
Eine kleine, aber bezeichnende Anekdote zum Schluß: Susan Sontag konnte man tief kränken, wenn man ihr Tun und ihre Pläne mit dem Satz zusammenfasste : "Beckett hätte das nicht gemacht!" Ihr Sohn ließ sie auf dem Friedhof bestatten, auf dem sich das Grab von Samuel Beckett (sowie Duras, Freund, Varda) befindet.
Zur Abrundung einer Beschäfigung mit ihr sei das Buch ihres Sohnes empfohlen: David Rieft, "Tod einer Untröstlichen". Die letzten Tage von Susan Sontag"
- Dieses Buch können Sie in der Stadtbücherei ausleihen: Zum Online-Katalog der Stadtbücherei