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Ausschnitt eines alten Stadtplans von Münster aus dem Jahre 1862
 
Straßenschild Ringoldgasse
 
 
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Andreas-Hofer-Straße

Stadtbezirk:Münster-Mitte
Statistischer Bezirk: Herz-Jesu
Entstehung: 1938
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Benannt nach Andreas Hofer (1767-1810), Abgeordneter, Gutsbesitzer und Gastwirt; Tiroler Freiheitskämpfer gegen die bayerische Herrschaft und französische Vormundschaft; wurde von den Franzosen in Mantua standrechtlich erschossen.

Aus dem Gutachten der Bezirksvertretung Münster-Mitte 2021:
Andreas Hofer, geboren am 22. November 1767 in St. Leonhard/Passeiertal, gestorben am 20. Februar 1810 in Mantua, war ein Tiroler Gastwirt, Wein- und Pferdehändler. Berühmt wurde er durch seine Rolle als Anführer des Tiroler Aufstands 1809.

Nach der Niederlage von Austerlitz beendete Österreich den dritten Koalitionskrieg gegen Frankreich mit dem Frieden von Pressburg. Durch den Friedensvertrag musste Österreich unter anderem die Grafschaft Tirol an das mit Frankreich verbündete Königreich Bayern abtreten. 1809 rüstete Österreich erneut zum Krieg gegen Frankreich und setzte dabei auch auf eine Strategie bewaffneter Volksaufstände gegen die französischen Truppen und ihre Verbündeten. Das Wiener Kaiserhaus nahm dazu Kontakt mit dem Tiroler Andreas Hofer auf, der auch Kommandant einer Tiroler Landsturmkompagnie war. Hofer hatte sich bereits zuvor gegen die bayerische Herrschaft engagiert, da diese von den Habsburgern gewährte Rechte für Tirol nicht anerkannte und eine radikale aufklärerische Kirchenpolitik verfolgten, verbunden mit der Aufhebung mehrerer Klöster. Weitere Gründe für den Aufstand dürften eine allgemeine Notlage der Tiroler Bevölkerung und generell eine konservative, habsburgtreue Gesinnung gewesen sein.

Im Zuge des Aufstands gelangen unter Hofers Führung einige militärische Erfolge gegen zunächst bayerische, dann gemischte bayerisch-sächsisch-französische Truppen. Hofer avancierte dadurch zum Schützenkommandanten von Südtirol. An anderen Schauplätzen verlief der Krieg für Österreich weniger erfolgreich, weswegen im Juni 1809 Österreich zunächst einen Waffenstillstand mit Frankreich vereinbarte in dessen Folge es Tirol wieder preisgab. Hofer rief nun selbstständig ein Volksaufgebot zu den Waffen, siegte wiederum gegen die napoleonischen Truppen und wurde zum Oberkommandierenden für Tirol ernannt. Im Frieden von Schönbrunn im Oktober 1809 musste Österreich den Verlust Tirols jedoch abermals anerkennen. Hofer versuchte nun abermals den bewaffneten Aufstand, wurde diesmal jedoch geschlagen und musste sich verstecken. Durch Verrat wurde er entdeckt und verhaftet und in Mantua zum Tode verurteilt. Dort wurde er im Februar 1810 durch Erschießen hingerichtet. Während des Aufstands erließ Hofer auch Rechtsvorschriften; so verkündete er Bekleidungsvorschriften für Frauen und verbot Tanzveranstaltungen. Seine bäuerlichen Freischärler drangsalierten im zeitweiligen Hauptquartier Innsbruck zudem die städtische jüdische Gemeinde.

Viele Faktoren sprechen dafür, dass Hofer letztlich einen jener traditionalistischen Aufstände anführte, die auf die Bewahrung überkommener Normen gegen die im französischen Herrschaftsbereich angestrebten Modernisierungen setzten. Infolge der nicht zuletzt durch die Französische Revolution und die napoleonischen Kriege erstarkenden Nationalbewegungen in den europäischen Staaten, wurden die die antinapoleonischen Kriege rasch zu Freiheits- oder Befreiungskriegen stilisiert. In diese reihte sich nun der Tiroler Aufstand von 1809 als Tiroler Freiheitskampf ein, Andreas Hofer fand als Freiheitsheld bereits im 19. Jahrhundert internationales Interesse.

Als Freiheitsheld spielt Andreas Hofer im österreichischen, besonders aber im Tiroler Gedächtnis bis heute eine wichtige Rolle. Er ist Gegenstand mehrerer Theaterstücke, Romane und auch Verfilmungen, ihm sind verschiedene Denkmäler und Straßen gewidmet. In Tirol wird er jährlich am 20. Februar als Vaterlandsheld gefeiert, das Andreas-Hofer-Lied ist die Landeshymne des österreichischen Bundeslands Tirol. 2009 feierte Tirol ein Andreas-Hofer- Gedenkjahr, an dessen zentraler Feier auch die Spitzen des österreichischen Staates teilnahmen. Südtiroler Schützenbruderschaften forderten dabei auf Transparenten die Selbstbestimmung für Südtirol und dessen Loslösung von Italien. Südtirol wurde nach dem Ersten Weltkrieg von Österreich abgetrennt und von Italien annektiert und unter Mussolini Ziel einer Italienisierungskampagne. Das Abkommen zwischen Hitler und Mussolini bestätigte die italienische Hoheit über Südtirol, ermöglichte jedoch der deutschsprachigen Bevölkerung, in den deutschen Herrschaftsbereich zu wechseln. Gegen diese Option, die von einer organisierten Kampagne durch das Deutsche Reich forciert wurde, versuchte der 1939 gegründete Andreas-Hofer-Bund Widerstand zu organisieren, indem er die deutsche Bevölkerung zum Bleiben aufrief. Der gegen die NS-Politik gerichtete Bund wurde vor allem nach der deutschen Besetzung Norditaliens verfolgt, zwei seiner führenden Mitglieder in Konzentrationslager deportiert. Die Nationalsozialisten hingegen lösten das Gedenken an Hofer aus den traditionalistischen und österreichischen Bezügen des Aufstands und sahen in seinem „Freiheitskampf“ ein Bekenntnis zu Großdeutschland.

Die Benennung einer Straße nach Andreas Hofer im Jahr 1938 zusammen mit der Benennung weiterer Straßen nach österreichischen Städten und der Vergabe des Straßennamens “Ostmarkstraße” muss als Ausdruck des Versuchs gewertet werden, die Geschichte der Eigenstaatlichkeit Österreichs im nationalsozialistischen Sinne umzudeuten.

In der Folgezeit wurde der sogenannte Freiheitskampf Hofers für alle möglichen Zwecke interpretiert und instrumentalisiert: Als Kampf für die Unabhängigkeit Österreichs, unter anderem auch gegen das nationalsozialistische Deutschland, als Kampf für ein österreichisches Südtirol gegen Italien, von der KPÖ sogar als Beispiel für den Kampf der „Kolonialvölker gegen das imperialistische Joch“, diesmal gegen die USA. Seit sich das Freiheitsverständnis weniger auf eine Nation als Kollektiv als auf die persönliche Freiheit der Bürgerinnen und Bürger richtet ist das Andenken Hofers durch Zuschreibungen wie „oberster Taliban“ Tirols oder „Guerilla-Zausel“ überlagert.

In Freiburg wurde die Andreas-Hofer-Straße unter die Kategorie C1, “Würde heute nicht mehr so gewählt”, subsumiert, allerdings ohne nachvollziehbare tiefere Diskussion der Gründe. Das Gutachten im Auftrag der Bezirksvertretung Münster-Mitte sieht einen gegebenen Bezug zur NS-Ideologie.

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