Verfahren einer Straßenbenennung

Ausschnitt eines alten Stadtplans von Münster aus dem Jahre 1862
 
Straßenschild Ringoldgasse
 
 

Benennung einer Straße: Zusammenspiel von Verwaltung, Bürgerschaft und Politik

Die Neu- und Umbenennung von Straßen, Wegen und Plätzen, Grünanlagen sowie Schulen ist Aufgabe der Bezirksvertretungen  (Hauptsatzung § 21, Abs. 1, Nr. 11). Nur bei bedeutenden Straßennamen entscheidet der Rat der Stadt.

Die meisten Neubenennungen von Straßen erfolgen, bevor dort Anwohner*innen leben. Es gibt also keine direkt betroffenen Personen. Eine Neubenennung kann als Verwaltungsakt nur begrenzt angefochten werden, wenn etwa das zuständige politische Gremium nicht korrekt verfahren hat.

Wenn heute Straßennamen für neue Baugebiete nötig sind, sucht das Vermessungs- und Katasteramt zuerst in alten Katasterkarten nach Flurnamen, historischen Lagebezeichnungen oder nach Ergänzungen zu vorhandenen Straßennamen in der Umgebung. Dazu führt das Vermessungs- und Katasteramt eine Vorschlagsliste. Bei ganzen Baugebieten können Straßennamen ein gemeinsames Thema haben. So entstanden "Musikerviertel" oder "Dichterviertel". In Gewerbegebieten können Straßennamen das Image der Stadt als Wirtschaftsstandort unterstreichen. Deshalb werden Straßen dort gerne nach Erfinder*innen oder Unternehmer*innen benannt. Die Bezirksvertretung West hat 2019 beschlossen, mit Straßennamen im Oxford-Quartier an weibliche Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern.

Der Rat der Stadt Münster hat entschieden, dass zukünftig Frauen den Vorrang vor Männern bei der Benennung von Straßen haben. Bis heute sind nur wenige Straßen nach Frauen benannt: Als die Regina-Protmann-Straße 1969 benannt wurde, war es der elfte Straßenname zur Erinnerung an eine Frau (abgesehen von Heiligen wie der Muttergottes oder unbestimmten weiblichen Vornamen: Annenstraße oder Sophienstraße). Aber es gab schon 316 Straßennamen nach Männern. Seit 1970 sind immerhin 70 Straßenbenennungen nach weiblichen Persönlichkeiten hinzugekommen, aber mindestens doppelt so viele männliche Ehrungen.

Keine Umbenennung ohne intensive Prüfung und Diskussion

Dieser Blick auf die Benennung von Straßen nach Frauenpersönlichkeiten zeigt: Im Stadtplan drückt sich das politische Programm der jeweils herrschenden Mehrheiten aus. Idealerweise findet sich ein breitestmöglicher Konsens bei der Frage: Ehren oder nicht ehren? Gerade der zweite Teil dieser Frage birgt Konfliktpotenzial. Meistens ging es bei den jüngeren Debatten unter Eindruck neuer Forschungserkenntnisse um die Frage, ob eine Person den Nationalsozialismus aktiv unterstützte. Heute stehen darüber hinaus koloniales Unrecht oder kriegerische Erinnerungen aus dem Ersten Weltkrieg zur Debatte, die für manche Menschen nicht mehr vereinbar mit den Werten der Demokratie sind.

Beantragt die Politik oder die Gesellschaft eine Straßenumbenennung, gibt zunächst die Verwaltung eine einordnende Stellungnahme ab. Diese Stellungnahme soll eine Entscheidungsgrundlage für die zuständigen politischen Gremien, in der Regel die Bezirksvertretungen, bilden. Sie enthält daher einen begründeten Vorschlag ("umbenennen" oder "nicht-umbenennen" bzw. "kommentieren"), dem die Bezirksvertretungen mit einer Abstimmung und einer begründeten Entscheidung folgen oder nicht folgen. Die Verwaltung holt sich für ihre Grundlagen die Meinung von Fachleuten ein. Manchmal werden diese Fachleute in den politischen Gremien zusätzlich noch befragt. Mittlerweile wünschen die politischen Gremien die intensive Einbindung der Bürger*innen zum Beispiel durch Informationsveranstaltungen oder Anwohnendenbefragungen.

Folgen einer Umbenennung

Nach dem Beschluss einer Umbenennung durch die zuständigen politischen Gremien wird die Umbenennung der Straße im Amtsblatt der Stadt Münster bekannt gemacht. In der Regel gibt es bereits im Vorfeld eine breite Diskussion in den Medien rund um eine Umbenennung.

Die formale Umstellung der Straßennamen und der Adressen von Betroffenen erfolgt größtenteils automatisiert durch die Verwaltung: Das Vermessungs- und Katasteramt schickt die Straßennamen- bzw. Adressänderung an Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienste, städtische Dienststellen, Stadtwerke, Finanzamt, Grundbuchamt, Deutsche Rentenversicherung, an Brief- und Zeitungszusteller, Telekommunikationsanbieter, Taxizentrale, an einige Hersteller von Navigationssystemen und Kartenmaterial. Selbstverständlich ist diese Datenübermittlung für die Grundstückseigentümer*innen und Anwohnenden kostenfrei.

Das Tiefbauamt beschafft neue Straßennamenschilder und montiert diese oberhalb der Schilder mit dem alten Straßennamen. Die alten Straßennamenschilder bleiben für eine Übergangszeit von einem Jahr zusätzlich vor Ort, der Straßenname bleibt dabei rot durchgestrichen sichtbar.

Die Eigentümer*innen der Grundstücke, die an die Straße angrenzen, erhalten einen Bescheid mit der Zuteilung der neuen Adresse. Der Bescheid erklärt auch, dass die Umstellung nicht sofort, sondern über einen Zeitraum von einem Jahr vollzogen werden soll. In dem Bescheid werden Vermieter*innen aufgefordert, ihre Mieter über die Adressenänderung zu informieren. Grundstückseigentümer*innen müssen alle sonstigen Stellen informieren, bei denen grundstücksbezogene Daten registriert sind, zum Beispiel Gebäudeversicherungen.

Anwohnende dieser Straßen müssen beim Amt für Bürgerangelegenheiten ihre Adressen im Personalausweis und im Fahrzeugschein ändern lassen. Für diese Ummeldung werden keine Gebühren erhoben. Wer sich ummelden will, kann sich auch mit schriftlicher Vollmacht vertreten lassen. Außerdem sollten die Anwohnenden der umbenannten Straße - wie bei einem Umzug - alle Stellen informieren, bei denen ihre Adresse registriert ist.