Benennung einer Straße: Zusammenspiel von Verwaltung, Bürgerschaft und Politik
Die Neu- und Umbenennung von Straßen, Wegen und Plätzen, Grünanlagen sowie Schulen ist Aufgabe der Bezirksvertretungen (Hauptsatzung § 21, Abs. 1, Nr. 11). Nur bei bedeutenden Straßennamen entscheidet der Rat der Stadt.
Die meisten Neubenennungen von Straßen erfolgen, bevor dort Anwohner*innen leben. Es gibt also keine direkt betroffenen Personen. Eine Neubenennung kann als Verwaltungsakt nur begrenzt angefochten werden, wenn etwa das zuständige politische Gremium nicht korrekt verfahren hat.
Wenn heute Straßennamen für neue Baugebiete nötig sind, sucht das Vermessungs- und Katasteramt zuerst in alten Katasterkarten nach Flurnamen, historischen Lagebezeichnungen oder nach Ergänzungen zu vorhandenen Straßennamen in der Umgebung. Außerdem führt das Vermessungs- und Katasteramt eine Vorschlagsliste mit Personen, die im Laufe der Zeit für Benennungen vorgeschlagen wurden. Bei ganzen Baugebieten können Straßennamen ein gemeinsames Thema haben. So entstanden "Musikerviertel" oder "Dichterviertel". In Gewerbegebieten können Straßennamen das Image der Stadt als Wirtschaftsstandort unterstreichen. Deshalb werden Straßen dort gerne nach Erfinder*innen oder Unternehmer*innen benannt.
Der Rat der Stadt Münster hat entschieden, dass zukünftig Frauen den Vorrang vor Männern bei der Benennung von Straßen haben. Bis heute sind nur wenige Straßen nach Frauen benannt: Als die Regina-Protmann-Straße 1969 benannt wurde, war es der elfte Straßenname zur Erinnerung an eine Frau (abgesehen von Heiligen wie der Muttergottes oder unbestimmten weiblichen Vornamen: Annenstraße oder Sophienstraße). Aber es gab schon 316 Straßennamen nach Männern. Seit 1970 sind immerhin 70 Straßenbenennungen nach weiblichen Persönlichkeiten hinzugekommen, aber mindestens doppelt so viele männliche Ehrungen.
In den “Leitlinien für Ehrungen im öffentlichen Raum” sind Kriterien für die Neubenennung von Straßen und die Beteiligung der Bürger*innen bei der Suche nach neuen Straßennamen geregelt. (Leitlinien und Verfahrenswege siehe unten)
Keine Umbenennung ohne intensive Prüfung und Diskussion
Dieser Blick auf die Benennung von Straßen nach Frauenpersönlichkeiten zeigt: Im Stadtplan drückt sich das politische Programm der jeweils herrschenden Mehrheiten aus. Idealerweise findet sich ein breitestmöglicher Konsens bei der Frage: Ehren oder nicht ehren? Gerade der zweite Teil dieser Frage birgt Konfliktpotenzial. Meistens ging es bei den jüngeren Debatten unter Eindruck neuer Forschungserkenntnisse um die Frage, ob eine Person den Nationalsozialismus aktiv unterstützte. Heute stehen darüber hinaus koloniales Unrecht oder kriegerische Erinnerungen aus dem Ersten Weltkrieg zur Debatte, die für manche Menschen nicht mehr vereinbar mit den Werten der Demokratie sind.
Die Frage, wer zukünftig noch mit einem Straßennamen geehrt werden soll, ist eine politische Entscheidung, die langfristig Bestand haben muss. Die im Vorfeld geführten Diskussionen sollten deshalb mit dem Ziel eines überparteilichen Konsens aller demokratischen Parteien geführt werden. In Politik und Verwaltung ist seit dem Jahr 2022 der Wunsch entstanden, Leitlinien zum Thema “Ehrungen im öffentlichen Raum” zu erarbeiten. Nach einem Prozess der Abstimmung zwischen Verwaltung und Politik hat der Rat der Stadt Münster in seiner Sitzung am 11. September 2024 Leitlinien für Ehrungen im öffentlichen Raum (pdf, 58 KB) sowie die Verfahrenswege (pdf, 47 KB) zur Neubenennung und Umbenennung von Straßen beschlossen.
Die Leitlinien regeln Grundsätze, Kriterien und Verfahrenswege, nach denen Ehrungen im öffentlichen Raum, wozu auch die Benennung von Straßen zählen, erfolgen sollen. Straßennamen können anhand der Leitlinien einer Prüfung unterzogen werden und eine Entscheidung für oder gegen einen Straßennamen wird damit objektiviert und transparent. Ebenso wird für die Art und Weise der Bürgerinformation und Bürgerbeteiligung ein einheitlicher Rahmen geschaffen.
Beantragt die Politik oder die Gesellschaft eine Straßenumbenennung, gibt zunächst die Verwaltung eine einordnende Stellungnahme ab. Diese Stellungnahme soll eine Entscheidungsgrundlage für die zuständigen politischen Gremien, in der Regel die Bezirksvertretungen, bilden. Sie enthält daher einen begründeten Vorschlag ("umbenennen" oder "nicht-umbenennen" bzw. "kommentieren"), dem die Bezirksvertretungen mit einer Abstimmung und einer begründeten Entscheidung folgen oder nicht folgen. Die Verwaltung holt sich für ihre Grundlagen die Meinung von Fachleuten ein. Manchmal werden diese Fachleute in den politischen Gremien zusätzlich noch befragt. Die intensive Einbindung der Bürger*innen erfolgt durch Informationsveranstaltungen und der Anhörung der Betroffenen.
Folgen einer Umbenennung
Nach dem Beschluss einer Umbenennung durch die zuständigen politischen Gremien wird die Umbenennung der Straße im Amtsblatt der Stadt Münster bekannt gemacht. In der Regel gibt es bereits im Vorfeld eine breite Diskussion in den Medien rund um eine Umbenennung.
Die formale Umstellung der Straßennamen und der Adressen von Betroffenen erfolgt größtenteils automatisiert durch die Verwaltung: Das Vermessungs- und Katasteramt schickt die Straßennamen- bzw. Adressänderung u. a. an Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienste, städtische Dienststellen, Stadtwerke, Finanzamt, Grundbuchamt, Deutsche Rentenversicherung, an Brief- und Zeitungszusteller, Telekommunikationsanbieter, Taxizentrale. Selbstverständlich ist diese Datenübermittlung für die Grundstückseigentümer*innen und Anwohnenden kostenfrei.
Das Tiefbauamt beschafft neue Straßennamenschilder und montiert diese oberhalb der Schilder mit dem alten Straßennamen. Die alten Straßennamenschilder bleiben für eine Übergangszeit von drei Jahren zusätzlich vor Ort, der Straßenname bleibt dabei rot durchgestrichen sichtbar.
Die Eigentümer*innen der Grundstücke, die an die Straße angrenzen, erhalten einen Bescheid mit der Zuteilung der neuen Adresse. Der Bescheid erklärt auch, dass die Umstellung nicht sofort, sondern über einen Zeitraum von drei Jahren vollzogen werden soll. In dem Bescheid werden Vermieter*innen aufgefordert, ihre Mieter*innen über die Adressenänderung zu informieren. Grundstückseigentümer*innen müssen alle sonstigen Stellen informieren, bei denen grundstücksbezogene Daten registriert sind, zum Beispiel Gebäudeversicherungen.
Anwohnende dieser Straßen müssen beim Amt für Bürgerangelegenheiten ihre Adressen im Personalausweis und im Fahrzeugschein ändern lassen. Für diese Ummeldung werden keine Gebühren erhoben. Wer sich ummelden will, kann sich auch mit schriftlicher Vollmacht vertreten lassen. Außerdem sollten die Anwohnenden der umbenannten Straße - wie bei einem Umzug - alle Stellen informieren, bei denen ihre Adresse registriert ist.