Anne-Henscheid-Weg
Statistischer Bezirk: Rumphorst
Entstehung: 2017
Amtsblatt: 8/2018
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Benannt nach Anne Henscheid (1945-2009), Mitbegründerin der ersten westdeutschen Lesbengruppe und Protagonistin der frühen Lesbenbewegung in Deutschland.
Anne Henscheid (1945-2009) wurde 1945 in einem Dorf in Westfalen geboren und kam mit etwa 20 Jahren nach Münster. Sie arbeitete als Sekretärin in Münster und lebte offen lesbisch, was zu dieser Zeit viel Mut erforderte. Sie gehörte zu den ersten und wichtigsten Akteurinnen der Lesbenbewegung in Münster und wurde auch überregional zu einer Schlüsselfigur. Anne Henscheid lebte später in Osnabrück und starb dort im Jahr 2009.
    Anne Henscheid in der HSM und bei der ersten schwulen Demonstration
    Deutschlands
    Als sich im April 1971 an der Westfälischen Wilhelms-Universität die studentische Aktionsgruppe
    Homosexualität (HSM) gründete, wurde Anne Henscheid dort aktiv. Als einzige Frau unterzeichnete
    sie die Satzung des HSM und war im siebenköpfigen Vorstand für die Frauengruppe zuständig. Anne
    Henscheid versuchte, lesbische Frauen zur Mitarbeit im HSM zu bewegen, was aber kaum gelang.
    (zum HSM siehe Rainer Plein)
Zum ersten Jahrestag seiner Gründung lud der HSM zu einer zweitägigen Veranstaltung nach Münster ein. Am 29. April 1972 versammelten sich etwa 200 Männer und einige Frauen vor dem Hauptgebäude der Universität und zogen durch die münsterische Innenstadt. Zahlreiche Fotos dokumentieren die Demonstrierenden und die Reaktionen münsterischer Bürgerinnen und Bürger auf diese erste schwule Demonstration in der Bundesrepublik. Ein Foto zeigt Anne Henscheid in Großaufnahme mit einem Protestplakat "Homos raus aus den Löchern".
    Gründung der ersten lesbischen Gruppe in Münster
    Noch im Frühsommer 1972 verließ Anne Henscheid den HSM. Es gab anschließend noch Versuche, die
    Frauenemanzipationsgruppe des HSM zu aktivieren, doch letztlich trennten sich die Wege
    der männlichen und weiblichen Homosexuellen Bewegung. Während sich die Schwulenbewegung zum
    Beispiel auf die Abschaffung des Paragrafen 175 konzentrierte, orientierten sich politisch
    aktive Lesben eher an der Frauenbewegung. Ihnen ging es um die Nichtdiskriminierung von
    lesbischen Frauen ebenso wie um die Emanzipation der Frau im Allgemeinen. Die Ereignisse in
    Münster spiegelten die Entwicklung dieser sozialen und politischen Bewegungen in der
    Bundesrepublik wider.
    Anne Henscheid vernetzte sich überregional und gründete im November 1973 zusammen mit fünf
    weiteren Frauen die Homosexuelle Frauengruppe Münster (HFM). Anfang 1974 trafen sich bereits 20
    Frauen regelmäßig. Im Jahr 1974 entstand das erste Frauenzentrum in Münster in der
    Magdalenenstraße 9, in dem man sich regelmäßig traf, zwei Jahre später gab es ein neues
    Frauenzentrum in der Friedrich-Ebert-Straße 114. Von Anfang an informierten Rundbriefe die
    lesbische Community; 1975 erschien erstmals als erste Publikation die Lesbeninfo.
    Deutschlandweites Outing von Anne Henscheid
    Aus ihrer Beziehung zu einer Frau, mit der sie auch zusammenlebte, machte Anne Henscheid im
    Privat- und Arbeitsleben kein Geheimnis. Als eine der ersten Frauen oder vielleicht sogar als
    erste Frau in der Bundesrepublik outete sie sich auch in den Medien. Dafür ließ sie sich von
    der Journalistin Alice Schwarzer interviewen. Der Artikel Die Heimlichtuerei macht einen
    kaputt erschien am 27. März 1975 in der Brigitte mit dem Namen und einem Foto von
    Anne Henscheid. Das Outing in einer der auflagenstärksten und wichtigsten deutschen
    Frauenzeitschriften wurde in der Lesbenbewegung als enorm mutig und wichtig angesehen. Alice
    Schwarzer veröffentlichte das Interview mit Anne Henscheid in erweiterter Form auch in ihrem
    Buch Der kleine Unterschied.
    Die Stadt Münster und die HFM vor Gericht
    Im Mai 1975 beantragte die Homosexuelle Frauengruppe Münster (HFM) bei der Stadt Münster, einen
    Infostand in der Fußgängerzone aufstellen zu dürfen. Während die Genehmigung für die Verteilung
    von Flugblättern sofort erteilt wurde, lehnte das Liegenschaftsamt die Einrichtung eines
    Infostands ab ("die Stadt kann derartige Informationen auf stadteigenen Plätzen nicht
    zulassen").
    Im Sommer 1975 legte die HFM Widerspruch gegen diesen Bescheid ein und begnügte sich fürs Erste
    damit, Informationszettel in der Fußgängerzone zu verteilen. Wegen der Ablehnung des Infostands
    kam es am 20. August 1976 zu einem Prozess vor dem Verwaltungsgericht, den die HFM gewann.
    Daraufhin ging die Stadt Münster in Berufung, die vom Oberverwaltungsgericht am 29. November
    1977 zurückgewiesen wurde. Im darauffolgenden Jahr konnte die HFM mit Genehmigung der Stadt
    einen eigenen Informationsstand in Münster aufstellen.
    Quelle: Stadt Münster - Frauenbüro, Beschlussvorlage V/0254/2017  vom 20.3.2017 an den
    Ausschuss für Gleichstellung zur Sitzung am 25.4.2017
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