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Ausschnitt eines alten Stadtplans von Münster aus dem Jahre 1862
 
Straßenschild Ringoldgasse
 
 
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Rincklakeweg

Stadtbezirk:Münster-Hiltrup
Statistischer Bezirk: Berg Fidel
Entstehung: 1969
Amtsblatt: Mai.69
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Benannt nach Johann Christoph Rincklake, (1774-1813), Maler.

Johann Christoph Rincklake, *19.10.1764 Harsewinkel, †19.6.1813, Maler.
Rincklake gilt neben den Künstlern der Familie tom Ring und Jan Boeckhorst als einer der wenigen westfälischen Maler von internationalem Rang. Der Künstler, der sich vor allem als Porträtist einen Namen machte, schuf bedeutende Bildnisse wichtiger Personen seiner Zeit, wie Freiherr Franz von Fürstenberg, Freiherr Karl vom Stein und der Fürstin Pauline zur Lippe. Johann Christoph Rincklake wuchs in Harsewinkel als Sohn eines Dorfschreiners auf. Er absolvierte eine Lehre in Münster, ehe er sich in größeren Städten wie Düsseldorf, Wien, Dresden und Berlin fortbildete. In der Begegnung mit großen Künstlern seiner Zeit, bei denen er lernte, wurde Rincklake zu einem scharf beobachtenden, reifen Maler geformt. Neben den Auftragsbildern des westfälischen Adels, wandte sich Rincklake auch den Bildnissen kleiner Leute zu. Mit den Bildern von Gastwirtstöchtern, Bäckern, Schlossermeistersöhnen und anderen Angehörigen des gemeinen Volkes komplettiert sich der Reigen westfälischer Porträts zu einem interessanten Panorama der Goethezeit.
Quelle: Detlef Fischer, Münster von A bis Z, Münster 2000

 

Ein Maler erschließt uns seine Zeit Johann Christoph Rincklakes Bilder vermitteln ein Stück westfälische Kulturgeschichte

Das Landesmuseum an Münsters Domplatz bewies in seiner Kunstausstellung im September 1984, wie lohnend und wohl auch grenzübergreifend interessant es sein kann, sich auf die Schätze zu besinnen, die die eigene Region zu bieten hat. Mit der Bildersammlung "Johann Christoph Rincklake - Westfälische Gesellschaft um 1800" wurden dem Betrachter nicht allein malerisch-ästhetische, sondern auch bemerkenswerte kulturgeschichtliche Einblicke vermittelt. Sie zu ermöglichen, haben die Familien und Nachkommen, in deren Besitz die meisten Exponate sind, ihre kostbar gehüteten Ahnenkonterfeis von den Wänden genommen und sie bereitwillig ausgeliehen, nahezu zweihundert und bis 4. November 1984.

Johann Christoph Rincklake ist, nach der künstlerischen Leere, die der Dreißigjährige Krieg bewirkte, der erste wieder bedeutende Maler in Westfalen. In einer Zeit gesellschaftlicher und geistiger Umwälzungen vertrat er das Bildnis der Epoche. Er mischte die Farben für den Adel ebenso wie für das Bürgertum, brachte Personen von höchstem Ansehen auf die Leinwand, wie den Freiherrn vom Stein, Blücher, Franz von Fürstenberg, aber auch die "kleinen Leute". Er verewigte die Spitze des fürstbischöflichen Hofstaates, aber auch Personen am unteren Ende der Hierarchie, etwa den Schlosswachtmeister Coppenrath. Und nicht weit weg von den Wein-, Tuch- und Kolonialwarenhändlern - damals die Spitzenverdiener der Nation - begegnen wir beim Rundgang den hübschesten Mädchen der Stadt.

1764 wurde er in Harsewinkel als Sohn eines Dorfschreiners geboren, ein Dasein als Handwerker schien vorbestimmt. Doch Johann Christoph wagte den Auszug in die Fremde. Nach einer Lehre bei Meister Sporing in Münster machte er sich auf in die großen Kunstzentren, nach Düsseldorf, Wien, Dresden und Berlin, wo er die Maßstäbe für seine eigene Bildkunst gewann.

Nur etwa zwanzig Schaffensjahre waren ihm dann vergönnt. Sie fielen in eine Zeit, die durch die Auswirkungen der Französischen Revolution und die Eroberungskriege Napoleons bedrängt war. Die herkömmlichen Brotgeber, Kirche und Adel, waren arm geworden, heißt: keine Aufträge mehr für Altarbilder, dekorative Landschaften oder Historienmotive. Aber das Eigenbildnis stand zum Glück gut im Kurs. Dass man in Rincklake einen trefflichen Meister schätzen lernte, trug sicher zusätzlich dazu bei, die Freude am Gemaltwerden zu fördern. Rincklakes Werk besteht vornehmlich aus Porträts.

Die Ausstellung im Herbst 1984, in mehrjähriger Vorarbeit entstanden, wollte allerdings mehr als bloß "westfälische Köpfe häufen" oder "Jagd auf Berühmtheiten" machen - so Hildegard Westhoff-Krummacher als Verfasserin des Katalogs. Westfälische Vergangenheit soll lebendig werden.

Man fing damals ganz allgemein an, die Beziehungen von Mensch zu Mensch in Freundschaft, Liebe und Familie zu entdecken. Dieses Du-Erlebnis wird uns durch Rincklake vermittelt. Franziska-Christine Freifrau von Elbersfeld beispielsweise lässt sich nicht mehr als schicksalslos heitere Hofdekoration, sondern als fühlender leidender Mensch an der Urne ihres verstorbenen Mannes malen. Therese Gräfin von Westphalen legt im goldgerahmten Bildnis Rosen und Vergissmeinnicht an die Büste ihres fernen Gatten. August Ferdinand von Merveldt trauert mit seinen Kindern um die verstorbene Mutter.

Rincklake befreit das Bildnis aus einer überlebten Welt höfischer Repräsentation, macht aus austauschbaren Kleiderpuppen Menschen. Gleichzeitig kommt freilich auch er nicht darum herum, sich auf die Konvention seiner Zeit, auf den Geschmack seiner Auftraggeber einzustellen. Gebildet wie man war, wollte man gerne demonstrieren, dass der antikisierte Zeitgeist Europas auch im ländlichen Westfalen wehte. So gürtete sich die Damenwelt für die Porträtsitzung á la grecque, wobei sie es mit der originale Aufmachung nur bedingt genau nahmen: Die hübsche Frau Elisabeth des Geheimen Regierungsrates von Tenspolde lernen wir im allerliebsten Lockenschopf kennen, das drapierte Übergewand ist an der Schulter von einer Agraffe zusammengehalten. Auffallender Weise entziehen sich die Herren dem hellenistischen Trend. Lediglich Max Friedrich von Druffel trägt modebewusst sein Haar á la Titus.

Nicht nur die wiederentdeckte Antike, auch Rousseau mit einem Slogan "Zurück zur Natur" hinterlässt in den Darstellungen seine Spuren. Kinder sind erstmalig in bewegungsfreundlicher Courture zu bewundern, Damen des Adels lassen sich als liebende Mütter mit ihren prächtig genährten Babys porträtieren. Getreu dem Rollendiktat aus dem 18. Jahrhundert haben sie mit aller Deutlichkeit Tugend, Seele und Herzenskultur zu verkörpern, so wie die heranwachsenden Söhne, den als Lehrmeister idealisierten Vater an der Seite, sich mit zukunftsbewusstem Blick präsentieren. Die Töchter fügen sich anmutig in Weiß und Zartrosa in den Rahmen.

Der Maler Rincklake lässt eine Fülle bereicherter Lebensbezüge in sein Menschenbild eingehen - Spiegelbild und Wunschbild, Wirklichkeit und Ideal, sittliches Streben und sittliche Schönheit. Gleichzeitig sagen seine mit subtilem Pinsel gearbeiteten Bildnisse etwas darüber aus, hinter wieviel Konvention der Mensch sich zu verbergen pflegt.

Zusammen mit der Ausstellung ist, neben dem Katalog, eine großformatige Monografie des Künstlers herausgekommen. Die Autorin Hildebard Westhoff-Krummacher begnügt sich nicht mit einer Biografie und einem vollständigen Werkverzeichnis. Sie macht verstehbar, wie sehr der Wandel der Lebensanschauung in den Bildzeugnissen seinen Niederschlag findet, wie sehr gesellschaftlicher Standort, Rollenerwartung und Zeitsehnsucht den Spielraum des Porträtierten mitbestimmen.
Quelle: Münstersche Zeitung vom 25.9.1984, Autor: Helmy Meyer

 

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