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Ausschnitt eines alten Stadtplans von Münster aus dem Jahre 1862
 
Straßenschild Ringoldgasse
 
 
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Der Tiergarten in Wolbeck

Das einzige Denkmal, das Wolbeck noch aus der Zeit des Dynasten-Geschlechts(Herrscherfamilie) Meinhövel besitzt, ist der weithin bekannte, uralte Tiergarten.Diese 1.120 Morgen Waldfläche sind der Rest eines großen Urwaldgebietes, in demdie Meinhövel eine Burg bauten. Das Alter des Tiergartens ist nicht bekannt;doch um die Zeit 800 wird Hermann, Heerführer der Sachsen, als Erbauer der BurgMeinhövel genannt.
In der Zeit von Fürstbischof Ludolph (1226-1248) wird dieser Wald bis zum Jahre1242 noch einen Teil jenes Dominiums (größeres Landgut) gebildet haben.

Fürstbischof Franz Arnold von Wolff-Metternich zu Gracht (1707-1718) erbaute1712, wie das über der Haustür angebrachte Wappen bekundet, im Tiergarten einentzückendes Jagdschlösschen. In Urkarten von 1812 war dieses Jagdschlösscheneine Försterei. Später nannte man das historische Schlösschen Forsthaus. Als hierein Förster Dinter seinen Dienstsitz hatte, eröffnete er von 1904-1912 einKaffeehaus. In dem jetzigen Garten standen Tische und Stühle für die Gäste.Georg Bolwin (später Küfermeister) war dort als Kellner tätig. 1909 dienteMelchior Schmitz, jetzt wohnhaft Münsterstraße, bei einem Artillerie-Regimentin Münster. Sonntags fuhr er die Herren Offiziere mit einem Pferdegespann zumKaffeehaus im Tiergarten. Heute dient diese historische Stätte einem Forstbeamtenals Wohnsitz.

Die späteren Fürstbischöfe, besonders Clemens August I (1719-1761), haben sichdurch ihre Anlagen im Tiergarten verewigt. Clemens August ließ einen breitenKreuzweg schlagen, den ganzen Wald mit einem hohen Wall und Gräben umgeben undrundum eine Umzäunung zum Hegen der Hirsche, der Sauen und des übrigen Wildesanlegen. Da diese Einfriedigung durch das Kellingholz, das einen durch denWaldbach (Angel) abgetrennten Teil des Tiergartens bildet, mit umfasste, warendort, wo der Zaun den Waldbach durchschnitt, sogenannte Klappen angebracht, diezwar vom fließenden Wasser bewegt wurden, es jedoch nicht stauten; dem Wild aberwurde der Durchgang verwehrt. Der Punkt, wo sich die Klappen befanden(am Ausgang des Waldbaches aus dem Tiergarten) heißt noch heute der Klappenkolk.Die zweite Durchschneidung des Zaunes lag in der Nähe des ehemaligenfürstbischöflichen Schulzenhofes Fronhof.

Aus jener Zeit des Fürstbischofs Clemens August I stammt wohl auch der Name desWaldes. Clemens August war ein eifriger und leidenschaftlicher Jäger. Allefürstbischöflichen Jagdbezirke ließ er mit Grenzsteinen kennzeichnen, die dieFürstenkrone und ein mächtiges C. A. trugen. Ein solcher Stein steht heute nocham Weg gegenüber dem jetzigen Forsthaus.
Zur Pflege des Wildes war ein besonderer Wildhüter angestellt, der densogenannten Wildhüterkotten, der ebenfalls Eigentum des Bischofs war, bewohnte.Der Wildhüter hatte das Rot- und Schwarzwild, dessen Zahl auf je 500 und 1.000angegeben wird, zu füttern. Der Kotten, später Hof Hengstebeck und heuteHof Markfort, liegt am Ende des östlichen Kreuzweges. Er diente auch zumAbschießen des bis unter die Fenster getriebenen Wildes. Die aus Holz bestehendeEinfriedung des Tiergartens wurde 1832 – 1836 öffentlich verkauft.

Als im 18. Jahrhundert auf einer hohen Eiche im Tiergarten die letzten Störchenisteten, stand Wolbeck im Mittelpunkt des weitausgedehnten Amtes Wolbeck.In jener fürstbischöflichen Zeit waren bei der fürstbischöflichen HofkammerOberjägermeister stationiert. Von ihnen sind nur noch Schaff und Elberfeld bekannt.Schaff war der Eigentümer des jetzigen, weithin bekannten ersten Gasthofs Thier(heute Thier-Hülsmann) in Wolbeck und erbaute (der Torinschrift zufolge) 1676das jetzt noch vorhandene Gebäude.
1968 wurde das geschichtliche Gebäude (weil es unter Denkmalschutz steht) imalten Stil neu aufgebaut. Für die umfangreiche Forstkartei eignete sich dasjetzige Thier’sche Besitztum sehr gut. In der Thier’schen Küche befand sich bisvor einigen Jahrzehnten eine große Zahl auf Glas gemalter Wappen westfälischerAdelsfamilien, die der Graf von Merfeldt erwarb und in sein Schloß Lembeck bringenließ. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Besitzung zu den Burgmannshöfengehörte.

Der letzte Oberjägermeister war Clemens August Elberfeld, ein Täufling desFürstbischofs Clemens August I. Die Familie dieses letzten Oberjägermeisterslebt noch heute in Wolbeck. Von 1784-1795 war er acht mal Wahlbürgermeister.C.A. Elberfeld starb am 20.11.1803 und fand seine Ruhestätte in der Kirche inWolbeck, und zwar unter der Nikolaus-Statue. Seine Kinder waren bei seinem Todnoch minderjährig; deshalb ist der letzte Besitz (jetzt Beumer in der Gartenstraße;wahrscheinlich Rest eines Burgmannshofes, damals Hoock) bald durch den Vormundverkauft worden.

Bei der Säkularisation (Einziehung von Kirchengut) fiel die gesamte fürstbischöflicheResidenz mit ihr auch der Tiergarten 1803 an den Königlich Preußischen Staat.Nachdem der fürstbischöfliche Oberjägermeister Elberfeld gestorben war, sandtedie Königlich Preußische Regierung als ersten königlichen Oberförster den inCleve stationierten Forstbeamten Hollweg nach Wolbeck, der in das Jagdhaus imTiergarten einzog. In jener Zeit war General Blücher (1742-1819) in MünsterMilitärgouverneur. Er machte mit seinen Offizieren dem zahlreichen Hochwild imWolbecker Tiergarten ein Ende. Bis zum letzten Tier wurde alles niedergeschossen.Der damalige Gasthof am Osteingang von Wolbeck (ehemaliges Kurhaus Lackmann),war im Besitz der Witwe des verstorbenen Gräflich von Merveldtschen RentmeistersHoyer, geb. Oppenhoff. Dort kehrten die hohen Herren, oft auch Blücher, beiihren Jagden ein. (gekürzt.)
Quelle: Die Geschichte Wolbecks, der Tiergarten, Nach Unterlagen vonFerdinand Zumbusch, Dr. H. Hörsting und F. Elberfeld durch den VerkehrsvereinWolbeck e. V. zusammengestellt. - Zwölfte Veröffentlichung Dezember 1972