Musikunterricht in der Corona-Krise
Digital statt analog
Auch an der Westfälischen Schule für Musik ist nichts mehr so wie noch vor zwei Wochen.
Die Musikschule: ein schweigendes Haus. Anstelle von geschäftiger Betriebsamkeit, fröhlichen Kinderstimmen und Tönegewirr aus allen Räumen gibt es Gespräche und Ideenaustausch in Zoom- oder Skype-Konferenzen und zwischen einzelnen Kolleginnen und Kollegen darüber, dass Unterricht trotzdem stattfinden soll und wie das gehen kann.
Kann der analoge Unterricht durch digitale Vermittlungsformen ersetzt werden? Zumindest ist es eine wunderbare Möglichkeit, den Schülerinnen und Schülern ein Stück gewohnten und geliebten Alltag nach Hause zu bringen, Kontakt zu halten und einen wöchentlichen Motivationsschub für das tägliche sich beschäftigen mit selbstgemachter Musik, einem wichtigen Ausgleich zum digitalen Schulunterricht.
In den Instrumentallehrer-Laboren werden gerade Noten eingescannt und per Mail verschickt, Mitspiel-Audiodateien hergestellt und versendet, YouTube-Links herausgesucht, Apps heruntergeladen oder Übe-Tutorials hergestellt.
Die Schülerinnen und Schüler richten sich ein: sie laden Programme und Apps herunter, testen was besser funktioniert – Skype oder FaceTime, drucken Noten aus, nehmen sich selbst auf und verschicken Audio- oder Videodateien.
Die Lehrerinnen und Lehrer der Westfälischen Schule für Musik berichten genauso wie der Landesverband der Musikschulen LVdM durchweg über sehr positive Reaktionen von Schülerinnen und Schülern, ihren Eltern und Lehrkräften. Diese Reaktionen zeigen, dass es gerade in schwierigen Lebenssituationen wie der sozialen Isolation ein großes Bedürfnis nach musikalischer Betätigung gibt.
Bei allem Positiven ist der Internetunterricht aber doch nur eine Interimslösung. Er erlaubt natürlich keine wirklich differenzierte musikalische Arbeit, Themen wie Klangentwicklung, Phrasierung oder musikalischer Ausdruck bleiben auf der Strecke.
Wenn nach der Krise endlich wieder frei und „analog“ und face to face unterrichtet und mit den Schülerinnen und Schülern musiziert werden kann, wird die Musikschule einen Innovationszuwachs haben, den sie in „normalen“ Zeiten vermutlich nie erreicht hätte.
Und alle werden den Wert von echter menschlicher Nähe ohne einen Bildschirm dazwischen noch einmal anders zu schätzen wissen.
Situationsbericht: Online-Unterricht in Zeiten der Corona-Krise
(PDF, 59.5 KB)
Berichte der Lehrkräfte zum digitalen Unterricht
Die Fotos neben den folgenden Texten zeigen nicht immer die berichtende Lehrkraft und das entsprechende Instrument - sie stehen beispielhaft für das Kollegium und die Vielfalt unseres Unterrichts.
Anja Bareither, Fach Trompete
„Gestern und heute habe ich mit all meinen Schülern und Schülerinnen ganz altmodisch über das Telefon/ Handy Kontakt aufgenommen und natürlich auch alle erreicht.
Die Gespräche, die sich mit den Schülereltern oder auch den älteren und jüngeren Schülern ergaben waren durchweg positiv.
Alle haben sich gefreut, dass die Musikschule in irgendeiner Weise den Unterricht fortsetzt, es ergaben sich Gespräche über den Schüler oder auch über die allgemeine Situation in Coronazeiten. Das direkte Telefonat mit den Eltern, Schülern und Schülerinnen kann ich wirklich nur empfehlen.“
Eva Bäuerle-Gölz, Fach Harfe
„Ich habe spontan begonnen meinen Schülern und Schülerinnen per Mail einen Harfenkalender zu erstellen. Jeden Tag ein kleiner Impuls, oft verknüpft mit einer kreativen Aufgabe (z. B. Improvisation...) oder einer Fragestellung. In meinen Anrufen bei den Schülern merke ich, dass gerade die Frage "wie geht es Dir mit der Situation" das wichtigste ist.
Ich sehe meine Aufgabe gerade im Begleiten, dabei sein, Lichtblicke schicken, unterstützen, wo es geht. Und natürlich auch die vielen digitalen Möglichkeiten zu nutzen.“
Barbara Walsleben, Fach Keyboard
„Ich bin sehr froh, dass die Kinder und Eltern mit digitalen Medien umgehen können. Der Unterricht läuft reibungslos mit Skype, FaceTime, Voicemail, Videos, Telefon und Klangdateien. - wenn auch das Senden der Hausaufgaben von Seiten der Kinder etwas spärlich eintrudelt. ;)“
Michael Lippert, Fach Klavier
Er schreibt seinen Schülerinnen und Schülern:
"Liebe Schülereltern, liebe Schüler*innen,
wenn Ihr Fragen zu den Stücken habt, ruft mich gerne an, Ihr könnt mir auch am Telefon was vorspielen. Wenn Ihr neue Literatur braucht, fragt mich. Ihr könnt mir auch sms oder Mails schicken. Ton- und Filmaufnahmen kann ich gerne kommentieren. Skype habe ich getestet, die Klangqualität ist katastrophal …“
Manuel Peitzker, Fach Trompete
Es hat sich gezeigt, dass ich meiner Unterrichtsverpflichtung in vollem Umfang nachkommen kann. Alle Unterrichte haben per Videotelefonie via Skype oder FaceTime stattgefunden - selbst der Unterricht mit meinem 72-jährigen Schüler, einem sehr vitalen, pensionierten Architekten, hat wunderbar via FaceTime funktioniert.
Die Schülerinnen und Schüler waren begeistert von der neuen, modernen Unterrichtsform und waren konzentrierter und faszinierter bei der Sache als bei analogem Unterricht, gleichwohl ich an Ablauf und Inhalt des Unterrichts nichts gegenüber dem analogen Unterricht geändert habe.
Die Eltern waren zuerst sichtlich erleichtert, dass uns die Technik keinen Strich durch die Rechnung macht und anschließend sehr dankbar, dass ich das Einzelunterrichtsangebot in Krisenzeiten für ihr Kind aufrecht erhalte. Zudem hatte ich den Eindruck, dass die Eltern dankbar sind, dass sie sich für eine gewisse Zeit an einem Nachmittag der Woche einmal nicht um die Bespaßung ihrer Kinder kümmern müssen, also online-Unterricht des Kindes als Entlastung für die Eltern. Am Ende einer jeden Unterrichtsstunde habe ich ein kurzes Gespräch mit Schülerinnen, Schülern und Eltern geführt und nachgefragt ob wir nach diesem Testlauf den online-Unterricht fortführen sollen und von jeder Familie kam ein klares und dankbares „JA!“ als Antwort.
Ralf Nackowitsch, Fach Schlagzeug, in Schul-Kooperationen und bei "Kinderhaus rockt"
Schüler und Eltern haben durchwegs positiv reagiert, von "ach, das ist ja eine tolle Sache" bis "schöne Abwechslung".
Ich unterrichte zu Hause auf meinem E-Drumset und auf meinem Übungspad. Das Pad kommt zum Einsatz, wenn zum Beispiel die WLAN-Verbindung der Schüler im Keller nicht ausreichend ist.
Im Einzelunterricht benutze ich FaceTime, Skype und was wirklich jeder Schüler hat, WhatsApp-Videofunktion. Alles funktioniert unproblematisch. Von meinen 14 Einzelschülern möchte ein Schüler Noten und Playalongs per E-Mail gesendet haben. Bekommt er natürlich.
Für den Gruppenunterricht in der Gesamtschule Mitte haben wir vereinbart, dass wir kleine Videos produzieren. Diese werden auf den Schulserver gestellt, mit der Bitte, dass jeder Schüler sich bei der Übung filmt und diese zurück an die angegebene Adresse sendet.
„Kinderhaus rockt“ und „Kinderhaus basic“: Da wo es möglich ist, unterrichte ich über WhatsApp Video und FaceTime. Jeder Schüler wird 10 bis 15 Minuten unterrichtet. Da wo es nicht möglich ist, schreibe ich von unseren Songs die Schlagzeugstimmen raus, sende diese mit einem YouTube-Link an die Schüler, natürlich mit der Bitte, Songs anzuhören und gleichzeitig die Noten mitzulesen und anschließend zu üben. Bei Fragen können mich die Schüler auch jederzeit anrufen.
E-Mail einer Mutter zum derzeitigen Online-Unterricht:
„Guten Morgen Frau Hagemann,
Nichts liegt mir ferner, als die aktuelle Situation schönzureden, aber ich, finde für Instrumentallehrer hat sie einen wirklich positiven Effekt. Wer sein Instrument nicht gerade hasst, der entdeckt gerade wie schön es ist, sich damit zu beschäftigen und Musik zu machen. Instrumentalunterricht ist zum einzigen Hobby mutiert, das weiterläuft. Hier bei uns ist bislang weder eine Ballettlehrerin noch ein Basketballtrainerteam aufgelaufen. Auch die Pfadfinder sind auf abgetauchten Pfaden unterwegs. Aber Klavier- und Schlagzeuglehrer halten die Stellung. Das ist echt cool!
Und als Eltern muss man gar nichts machen! Die Kinder beschäftigen sich aus Eigenengagement mit ihrem Instrument! Endlich erlebt man, warum 'das Kind bei der Stange halten' nicht so verkehrt war. Auch echt cool! Also: Musik steht aktuell hoch im Kurs!
Danke, dass Sie weiterunterrichten! …"