Gorch-Fock-Straße
Dieser Straßenzug wurde im Jahre 1936 zum Andenken an den niederdeutschen Schriftsteller und
Dichter Hans Kinau benannt, dessen Pseudonym Gorch Fock war.
Hans Kinau wurde als Fischersohn auf Finkenwärder im Jahre 1880 geboren und errang mit seinem
Roman Seefahrt ist not (1912) viel Beifall. Er schrieb außerdem Novellen, zahlreiche
Erzählungen sowie Dramen in niederdeutscher Sprache. Im Jahre 1916 fiel er in der Seeschlacht
vor dem Skagerrak.
Quelle: Wilhelm Kohl in: Münstersche
Zeitung, 16.1.1957
Am 8. Dezember 2020 beantragte die Bezirksvertretung Münster-Mitte (BV Mitte) einen umfassenden Bericht über die Überprüfung von Straßennamen, die in den Jahren von 1933 bis 1945 entstanden sind, und zu der Frage, ob die NS-Ideologie in diesen Straßenbenennungen sichtbar würde. Der Bericht wurde am 18. Januar 2022 der Bezirksvertretung Mitte vorgelegt.
Dort heißt es:
„Sein bekanntestes Werk ist der 1912 erschiene Roman „Seefahrt ist not!” (Verfilmung 1921),
dessen Verbreitung und Rezeption vor allem nach seinem Tod und in einer zweiten Welle nach 1933
von staatlichen Stellen gefördert wurde. Auch wenn es sich dabei eher um typische
Abenteuerliteratur handelt, bietet sein Werk „kaum Widerstand” gegen seine spätere
faschistische Instrumentalisierung. Für die nationalsozialistische Propaganda spielte der
Aufbau und die Verbreitung des Mythos Gorch Fock eine wichtige Rolle, vor allem im Bereich der
Erziehung von Jungen und jungen Männern. Der Roman „Seefahrt ist not!” gehörte zwar bereits in
den 1920er Jahren in Hamburg zur schulischen Pflichtlektüre, nach 1933 erlebte sein Verfasser
dann nochmals eine Konjunktur wie nur wenige andere Schriftsteller. Sein Roman stand reichsweit
im Lektürekanon der deutschen Lesewerke der höheren Schulen, ein Aufsatz zum Thema Gorch Fock
war Pflichtaufgabe an den Adolf-Hitler-Ausleseschulen und noch 1944 erschien im Auftrag des
Oberkommandos der Kriegsmarine und des Reichsministeriums für Wissenschaft, Bildung und
Erziehung eine Schulausgabe des Romans, herausgegeben von Jakob Kinau, dem Bruder des
Autors.220 Sein Leben und Werk wurden zu einer Einheit verbunden, und es war vor allem sein zum
Heldentod stilisiertes Sterben, das den Nationalsozialisten ideologische Anknüpfungspunkte bot.
Freudige Opferbereitschaft, Furchtlosigkeit, verbunden mit der Treue zum Vaterland und der
Liebe zur Seefahrt wurden ihm als Tugenden zugeordnet und er somit als Vorbild für die deutsche
Männlichkeit erklärt. Ob bei der Taufe des nach ihm benannten Segelschiffes 1933, der
Einweihung der gleichnamigen Reichsseesportschule der HJ in Dubrow 1935 oder dem reichsweiten
Schulwettbewerb zu „Seefahrt ist not!” 1941 – der Name Gorch Fock wurde untrennbar verbunden
mit den Topoi Lebenskampf auf See, Heldenmut und Opfersinn.
Das Bild Johann Kinaus als Gorch Fock prägten lange Zeit auch die Nachlassverwalter, vor allem Rudolf und Jakob Kinau, die seine Tagebücher vor der Veröffentlichung manipulierten und Teile seines Werkes im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie veränderten. Der Nachlass Johann Kinaus befindet sich erst seit 1996 in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg und ist für die Forschung zugänglich. In der aktuellen literaturwissenschaftlichen und historischen Forschung sind das Leben und Werk Gorch Focks lediglich ein randständiges Thema. Das Vermessungs- und Liegenschaftsamt der Stadt Münster schlug bereits 1945 und erneut 1947 eine Umbenennung der Straße vor. In Lengerich und Dortmund erfolgte die Umbenennung ebenso wie in Frankfurt am Main zwischen 1945 und 1947. Auch in Köln wurde die Straße umbenannt.“
- Eintrag in der Neuen Deutschen Biographie Gorch Fock
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