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Ausschnitt eines alten Stadtplans von Münster aus dem Jahre 1862
 
Straßenschild Ringoldgasse
 
 
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Straßenumbenennungen 1974

Bei der kommunalen Neugliederung am 1. Januar 1975 wurden die Stadt Münster undneun kleine Gemeinden des Landkreises Münster zur kreisfreien Stadt Münsterzusammengelegt. In den einzelnen Gemeinden gab es vielfach dieselben oderähnliche Straßennamen.Deshalb mussten vor dem 1. Januar 1975 im neuen Stadtgebiet 220 Straßenumbenannt werden.

Bei vielen Umbenennungen wurden neue Straßennamen in dem selben Themenbereichgefunden, in dem schon der vorherige Straßenname lag. Zum Beispiel wurde dieMozartstraße im Mai 1974 durch Beschluss des Rates der Stadt Münster nach demKomponisten und Musikwissenschaftler Gustav Nottebohm (1817-1882) umbenannt.

Aus der Tageszeitung:

Acht Bahnhofstraßen zuviel…

Schulstraße auf Platz 2 /Dr. Lauhoff: Eine Arbeitsgruppe bilden

Münster. Der Computer schluckte. Genau 1557 Mal. Dann hatte er sämtlicheStraßennamen aus der Stadt Münster und den neun Umlandgemeinden drin. Alser sie wenig später auf 44 grün-weiß gestreiften und eng bedruckten Bögenalphabetisch sortiert wieder ausspuckte, war Gewißheit, was Münsters neusterDezernent, Dr. Erich Lauhoff, schon vorher geahnt hatte: Soll es in derStadt Münster nach der kommunalen Neuordnung nicht Birken- und Buchenwege,Wibbelt- und Wilhelmstraßen engros geben, müssen 220 Gassen, Wege und Straßenumbenannt werden.

Zu den Spitzenreitern dieser Straßennamen-Hitliste zählenerwartungsgemäß die sechs Münsterstraßen und die sieben Schulstraßen.Den Vogel unter den Doubletten aber schießt die Bahnhofstraße ab, die inMünster und seinen neun Eingemeindungs-Gemeinden nicht weniger als neunmal zufinden ist – nur Sankt Mauritz steht ohne Bahnhofstraße da…Den Anstoß zu der Straßennamen-Inventur gab die Post, die der künftigenGroßstadt Münster nur eine einheitliche Postleitzahl zubilligt undZusatzbezeichnungen – wie Münster-Handorf oder Münster-Hiltrup – nur für eineÜbergangszeit gelten lassen will. Mehrere gleichlautende Straßennamen müßtendie Postzustellung notwendigerweise in ein Chaos stürzen, andere Behörden undVerwaltungen würden fast automatisch in Mitleidenschaft gezogen. Und künftigeBesucher der Stadt Münster müßten damit rechnen, von einer Bahnhofstraßezur anderen geschickt zu werden.

Klar, sagt Dr. Lauhoff, von den WN auf das Straßenamen-Problem angesprochen,dass zu diesem Zeitpunkt über mögliche Änderungen noch nicht gesprochenwerden kann. Immerhin sammelte er die Straßennamen-Listen aller Gemeindenund fütterte damit die Elektronische Datenverarbeitungs-Anlage im Stadthaus,um sich zumindest ein Bild aus der Verwirrung machen zu können.

Und der Computer ratterte unbarmherzig herunter, was doppelt war: neunmalBahnhofstraße, siebenmal Schulstraße, sechsmal Münsterstraße, fünfmal Birkenweg,Gerhart-Hauptmann-Straße, Kirchstraße, Nachtigallenweg und Wagenfeldstraße.Je viermal tauchten auf: Agnes-Miegel-Straße, Buchenweg, Drosselweg,Eichendorffstraße, Eichenweg, Friedensstraße, Prozessionsweg, Wibbeltstraßeund Wilhelmstraße. Von den Drillingen, den Doppelten und den ähnlichlautenden (Kirchfeld, Kirchplatz, Kirchweg, Kirchstraße) Straßennamen ganzzu schweigen …

Die Häufung von Buchen-, Eichen-, Birken- und Drosselwegen ist indes keintypisch münstersches Problem. Die Stadt Aachen, die die Prozedur derkommunalen Neuordnung schon hinter sich hat, müßte nicht weniger als 200doppelte Namenschilder kappen. Da in Aachen Eile not tat, besorgte derneue Rat die Umtaufe. Allerdings wurden die Bezirksausschüsse maßgeblichbeteiligt, die nach Vorschlägen der Verwaltung ihre Wünsche konkretisierenkonnten. Heute, so versichert der zuständige Beigeordnete der Stadt Aachen,gibt es dort keine Doppel-Bezeichnungen mehr. Die alten Straßenschilder sindrot durchgestrichen, die neuen hingen bereits darunter.

In Münster, wo die kommunale Neuordnung noch nicht beschlossen ist, könntennoch die alten Räte die neuen Namen aus der Taufe heben. So sollte –nach den Vorstellungen von Dr. Lauhoff – eine Arbeitsgruppe mit denverschiedenen Ämtern gebildet werden: Denn wir müssen uns ja einig werdenzwischen Stadt und Land, wer auf seine Bahnhofstraße verzichtet… Solltediese Prozedur zügig über die Bühne gehen, wäre nicht nur die Mitwirkungder alten Räte gesichert, sondern die neue Stadt Münster könnte sich auchgleich nach der kommunalen Neuordnung mit einen eindeutigen Straßenverzeichnispräsentieren.

Daß der Abschied vom alten Straßenschild nicht immer ohne Schmerzenvonstatten gehen wird, ist auch Dr. Erich Lauhoff klar: Die Namensänderungist für jeden eine Belastung. Aber auf die Dauer stellen sich auch dieVorteile heraus: Verwechslungen werden ausgeschlossen, die Briefe nichtmehr erst sechs Tage an falscher Stelle unterwegs sein.

Besonders die Straßennamen mit historischen oder persönlichen Bezügen, sovermutet Dr. Lauhoff, werden den einzelnen Gemeinden schwer abgehen:Schlaunstraße, Wagenfeldstraße oder Annette-von-Droste-Hülshoff-Allee.Da wo Fauna und Flora oder örtliche Gegebenheiten Taufpate gespielt haben(etwa bei den Buchen- und Birkenwegen, den Kirch- oder Bahnhofstraßen)sieht Dr. Lauhoff weniger Komplikationen: Wenn der Nachtigallenwegdemnächst Zeisigweg heißt, weil da ohnehin keine Nachtigall mehr schlägt,dann dürfte das doch keine großen Schwierigkeiten geben.

Autor: Wolfgang Schemann
Quelle: Ausschnitt aus den Westfälische Nachrichten, am 31.08.1973.