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Ausschnitt eines alten Stadtplans von Münster aus dem Jahre 1862
 
Straßenschild Ringoldgasse
 
 
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Prinz-Eugen-Straße

Stadtbezirk:Münster-Mitte
Statistischer Bezirk: Geist
Entstehung: 1936
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Benannt nach Prinz Eugen von Savoyen,(1663-1736), Feldherr und Staatsmann

Im Jahre 1936 wurde diese Straße zur Erinnerung an Prinz Eugen von Savoyen benannt. Sohn des Prinzen von Savoyen-Carignan und der Olympia Mancini, einer Nichte Mazarins, wurde er 1663 in Paris geboren. Als Ludwig XIV. ihn nicht in sein Heer aufnehmen wollte, trat der Savoyer in die Dienste Österreichs und erkämpt sich als tapferer Soldat und hervorragender Stratege in Feldzügen gegen Türken und Franzosen den Feldmarschalltitel. Eugen, der über außerordentliches diplomatisches Geschick und umfassende Bildung verfügte, unterhielt Briefwechsel mit Leibniz und war ein Gönner Rousseaus. Österreich verdankt ihm seine viele Jahrzehnte währende Vormachtstellung auf dem Balkan. Prinz Eugen starb 1736 in Wien.
Quelle: Wilhelm Kohl in: Münstersche Zeitung, 16.10.1956

Aus dem Gutachten der Bezirksvertretung Münster-Mitte 2021:
Eugen, Prinz von Savoyen, Graf von Soissons, wurde 1663 in Paris geboren und starb 1736 in Wien. Eugen gehörte zum europäischen Hochadel. Sein Vater war Graf von Soissons, gehörte damit zur französischen Bourbonenfamilie, und Enkel des Herzogs von Savoyen sowie König Philipps II. von Spanien, die Mutter entstammte der Familie Kardinal Mazarins. Eugen wuchs am französischen Hof in Versailles mit sechs weiteren Geschwistern auf, der Vater verstarb früh. Die Mutter war, wie auch ihre Schwester, zeitweilig Mätresse Ludwigs XIV. Nach dem Zeugnis Liselottes von der Pfalz wuchsen Eugen und seine Geschwister in einer Art Verwahrlosung auf, während die Mutter in Hofintrigen verstrickt war, in deren Folge sie aus Frankreich fliehen musste, die Kinder in Versailles zurücklassend. Von Eugen wurde behauptet, er habe sich bereits in jungen Jahren an Männer verkauft.

1683 floh Eugen aus Frankreich, nachdem seine Ambitionen auf eine militärische Laufbahn in Frankreich enttäuscht wurden. Er trat in das Heer Kaiser Leopolds I. ein, der sich vor einem türkischen Heer aus Wien zurückgezogen hatte. Eugen eruierte in der Folgezeit auch Möglichkeiten, in savoyische oder spanische Dienste zu treten, wurde dabei zum spanischen Granden erhoben und in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen, letztlich blieb er aber in österreichischen Diensten, wo sich ihm rasch Karrierechancen boten. 1697 erhielt er den Oberbefehl über die österreichischen Truppen im Kampf gegen das Osmanische Reich. In mehreren Feldzügen gewannen Truppen unter Eugens Befehl Ungarn, Siebenbürgen (im heutigen Rumänien), letztlich auch Belgrad für die österreichische Krone. Aufgrund des französisch-habsburgischen Gegensatzes im spanischen Erbfolgekrieg führte Eugen Krieg in einer Koalition mit England und den Niederlanden gegen Frankreich am Oberrhein, in den Niederlanden und in Italien. Dieser Krieg gegen Frankreich erstreckte sich über vierzehn Jahre und war für Zentraleuropa letztlich bedeutsamer, als die vier Schlachten gegen das Osmanische Reich, die Eugen schlug, auf die sich letztlich jedoch die Erinnerung an den Prinzen erstreckt.

Seine militärischen Erfolge waren mit weitreichenden politischen und diplomatischen Weichenstellungen verbunden, so dass Eugens Wirken nicht auf rein militärische Belange reduziert blieb. Über mehrere Stationen brachte er es bis zum Hofkriegsratspräsidenten, womit er auch eine wesentliche politische Führungsrolle innerhalb des österreichischen Staatsgebildes einnahm. Der Regensburger Reichstag hatte ihn zudem zum Reichsfeldmarschall erhoben.

Eugen von Savoyen war, dies kann die biographische Skizze nur andeuten, eine komplexe Figur der frühen Neuzeit. Als Teil des Hochadels konnte Eugen europäisch agieren, seine Festlegung auf Österreich, genauer auf Dienste für Habsburger Kaiser, waren nicht vorgezeichnet. Nationale Ideen lagen noch außerhalb der Vorstellungswelt, vielmehr betrieb Eugen sein militärisches und politisches Wirken zugunsten einer Dynastie, die jedoch, vermittelt über die Kaiserkrone des Alten Reiches, Einfluss über ihre dynastischen Kernlande hinaus nehmen konnte. Entsprechend gab es in der Erinnerung an Prinz Eugen ganz unterschiedliche Züge: Er galt als erfolgreicher Staatsmann und Militär, der die Großmachtstellung Österreichs ausbaute; richtete sich der Blick auf seine Rolle in den Kriegen gegen die konkurrierende Großmacht des Osmanischen Reiches – ebenso ein Vielvölkerstaat wie die Länder unter Habsburger Herrschaft – so konnte Eugen auch zum Helden des Christentums avancieren, wobei die Tatsache, dass die Untertanen der osmanischen Sultane nicht nur muslimische Türken waren, ausgeblendet werden musste.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein wurden die „Türkenkriege“ daher in Deutschland zu einem Erinnerungstopos, der den Kriegsgegner als den schlechthin Anderen aus dem Kreis der zivilisierten Völker ausgrenzte und die Rolle von Kaiser und Fürsten als Verteidiger gegen einen äußeren Feind betonte, der die „Antithese des Deutschen“ darstellte.

Darauf konnte auch die Instrumentalisierung Eugen von Savoyens durch die NS-Propaganda aufsatteln, die Eugen für zwei funktional unterschiedliche Deutungen vereinnahmte. Die erste arbeitete mit am Führermythos, indem sie Hitler und Eugen gleichsetzte. In dem Film Der große König von 1942 des bekannten NS-Regisseurs Veit Harlan stand Prinz Eugen für die Figur des „Führers ohne Krone“, der das Reich durch persönliche Eignung vor der Katastrophe rettet und so die Legitimität seiner Führerschaft erweist. Bedeutender war freilich die Rolle, die Eugen als Chiffre für die Verbindung von Rassenideologie und Geopolitik zu spielen hatte. Seine Rede zum „Anschluss Österreichs“ an das Deutsche Reich hielt Hitler am 15. März 1938 auf einem Trakt der Wiener Hofburg direkt über dem Reiterstandbild Prinz Eugens. Er wies dabei Österreich als „der Ostmark“ die Rolle eines „Bollwerks“ der deutschen Nation und des deutschen Reiches zu und aktualisierte dabei „die Erinnerung an die Türkenfeldzüge und Eroberungen des Prinzen Eugen“ ohne ihn zu nennen. Die beschworene defensive Haltung wandelte sich in eine offensive, als das Deutsche Reich die territorialen Verhältnisse auf dem Balkan neu regelte. Die Berufung auf Prinz Eugen und seine Eroberungen auf dem Balkan mit der späteren Ansiedlung Deutscher zum Beispiel im Banat und der Batschka schuf eine gemeinsame Grundlage in der bisweilen von gegenteiligen Interessen getragenen Kommunikation zwischen den Stellen des Deutschen Reichs und den Organisationen der Volksdeutschen in den zum Beispiel an Ungarn abgetretenen Bereichen des Königreichs Jugoslawien. Auch unter Berufung auf eine enthistorisierende, mythifizierte Heldengeschichte Prinz Eugens gelang es der NS-Führung, die deutschen Volksgruppen insbesondere im ehemaligen Jugoslawien auch militärisch innerhalb der SS-Division „Prinz Eugen“ – vorgeblich zum „Heimatschutz“ – zu mobilisieren. Deren Einsatz vor allem zur Partisanenbekämpfung im Bereich des ehemaligen Jugoslawien und damit zur Absicherung der deutschen Besatzungspolitik knüpfte direkt an die postulierte „Grenzertradition“ der deutschen Siedler an und überhöhte diese mit Vorstellungen von einer überlegenen deutschen Kultur. Durch das Vorgehen der SS-Division auch gegen die Zivilbevölkerung während des Partisanenkriegs wurde die Erinnerung an Prinz Eugen nun auch mit Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs in Verbindung gebracht.

Die Prinz-Eugen-Straße wurde in Münster in genau jener Logik benannt, die den Prinzen ahistorisch zu einem Vorkämpfer deutschen Lebensraums im Südosten machte. Als einziger Personenname wurde Prinz Eugen in ein Cluster von Straßennamen gesetzt, das nach „landsmannschaftlichen, insbesondere auslandsdeutschen Bezeichnungen“ gebildet wurde und in dem sonst nur Regions- und Ortsbezeichnungen vorkamen: Sudentenweg, Egerweg, Glatzer Weg, Siebenbürgenweg, Hermannstadtweg, Kronstadtweg, Klausenburgweg, Prinz-Eugen-Straße. Auch wenn aktuell bei der historischen Beschäftigung mit dem Prinzen die Bedingungen seines Aufwachsens, seine mutmaßliche Homosexualität oder auch seine Förderung der Künste hervorgehoben werden, knüpfen politisch gefärbte Erinnerungsversuche weiter an das enggeführte Bild vom „Türkenkrieger“ an. So hat in neuerer Zeit auch die österreichische FPÖ Eugen instrumentalisiert, um im historischen Gewand des Türkenkrieges politische Seitenhiebe gegen Gegner im Wahlkampf von 2010 zu verteilen und mal wieder zur Verteidigung des christlichen Abendlands aufzurufen, diesmal gegen nichtchristliche Migrantinnen und Migranten.

Auch die Versuche in Münster, die Bedeutung des Straßennamens zu erläutern, schließen mit der Attribuierung „Türkensieger“ an die Engführung der historischen Bedeutung Eugens an.

Das Gutachten im Auftrag der Bezirksvertretung Münster-Mitte sieht einen gegebenen Bezug zur NS-Ideologie.

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