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Ausschnitt eines alten Stadtplans von Münster aus dem Jahre 1862
 
Straßenschild Ringoldgasse
 
 
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Wagenfeldstraße

Die Bezirksvertretung Münster-Mitte hat in ihrer Sitzung am 22.5.2012 die Umbenennung der Wagenfeldstraße in die Robert-Blum-Straße beschlossen.

Karl Wagenfeld wurde am 5.4.1869 in Lüdinghausen geboren. Er starb am 19.12.1939 in Münster.

Wagenfeld absolvierte zwischen 1886 und 1889 das Lehrerseminar Warendorf. Er arbeitete als Volksschullehrer zunächst in Göttingen/Westf., Bockholt und Recklinghausen und kam schließlich nach 1899 in Münster. 1925 trat er als Konrektor in den einstweiligen und 1932 in den endgültigen Ruhestand. Um 1900 nahm er seine schriftstellerische Tätigkeit in plattdeutscher Sprache auf. Wagenfeld war 1915 Mitbegründer des Westfälischen Heimatbundes – um ihm sein Engagement in diesem Verband, u.a. als Redakteur und Geschäftsführer, zu ermöglichen, war er zwischen 1919 und 1925 vom Schuldienst beurlaubt. Wagenfeld war „die treibende Kraft der westfälischen Heimatbewegung während der 1920er Jahre“. (Ditt 1998) 1929 wurde Wagenfeld mit der Ehrendoktorwürde der Universität Münster ausgezeichnet. Seit 1933 erhielt er einen Ehrensold der Provinz Westfalen. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits erkrankt und konnte nicht mehr publizieren. Kurz vor seinem Tod wurde er 1939 mit dem 3. Westfälischen Literaturpreis ausgezeichnet.

Seit dem 1.5.1933 war Wagenfeld Mitglied der NSDAP (Nr. 2496073). Zudem war er Mitglied der NSV.

In einem Lebenslauf aus dem Jahr 1938 nimmt Wagenfeld für sich in Anspruch, seit mehreren Jahrzehnten seine ganze Kraft in den „Kampf für Volkstum und Heimat“ gesetzt zu haben. Seine wesentlichen Forderungen zum Schutz von Heimat und Brauchtum sieht er nun durch das NS-Regime realisiert. (BAB Ehem. BERLIN DOCUMENT CENTERRK/RSK II I 0595) Tatsächlich wies Wagenfelds Heimatbegriff eine gewisse Nähe zur nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie auf. (Schepper 1990) Nationalsozialistische Kulturpolitiker honorierten Wagenfelds Engagement, indem sie ihm bereits 1933 einen jährlichen Ehrensold in Höhe von 450 RM, später 1000 RM, zuerkannten. Auf die entsprechende Wertschätzung, die ihm führende Nationalsozialisten auch außerhalb Westfalens entgegenbrachten, verweist die Verleihung des Westfälischen Literaturpreises im Jahr 1939, die auf besonderen Wunsch des Propagandaministers Goebbels und des nordwestfälischen Gauleiters Meyer erfolgte, um Wagenfeld zu seinem 70. Geburtstag für sein Lebenswerk als „Dichter und Vorkämpfer des Volkstumsgedankens“ zu ehren. Mit dieser Ehrung bemühte sich die NS-Führung, den anerkannten Dichter Wagenfeld als Vorkämpfer zu vereinnahmen und honorierte dessen Verzicht, sich aus seinem katholisch-konservativen Weltbild heraus kritisch über den Nationalsozialismus zu äußern. (Ditt 1998) Im Gegenteil erklärte er sich zwischenzeitlich bereit, den Nationalsozialistischen Kulturbund der Stadt Münster zu leiten. Ob er diese Funktion angesichts seiner Erkrankung tatsächlich ausübte, ist allerdings unklar. Fakt jedoch ist, dass er im Mittelpunkt nationalsozialistischer Propagandainszenierungen stand, so beispielsweise einer HJ-Feierstunde anlässlich seines 65. Geburtstages, auf der er öffentlich die Verdienste Adolf Hitlers um Volkstum und Heimat hervorhob.

Quellen und Literatur Bundesarchiv Berlin Ehem. BERLIN DOCUMENT CENTERRK/RSK II I 0595 Westfälisches Archivamt Bestand 702 Nr. 232 u. Nr. 479 Bestand 905 Nr. 94 Bestand 908 Nr. 258

Karl Ditt: Der Westfälische Literaturpreis im Dritten Reich, in: Bernd Kortländer (Hg.): Literaturpreise. Literaturpolitik und Literatur am Beispiel der Region Rheinland/Westfalen, Stuttgart/Weimar 1998, S. 39-66. R. Schepper: Karl Wagenfeld, ein Wegbereiter des Nationalsozialismus. Spuren eines deutschen Heimatdichters, in: Quickborn, Zeitschrift für plattdeutsche Sprache und Dichtung 80 (1990), S. 104-120.

Siehe auch: Stadtarchiv Münster, Verwaltungsarchiv ab 1945, Oberstadtdirektor Nr. 16: Oberstadtdirektor Zuhorn bestätigt NSDAP-Beitritt und dass sich Wagenfeld „von der Partei hat feiern lassen“. Wagenfeld hätte dien Heimatbund vor „dem Zugriff der Partei zu sichern“ versucht. Er habe sich „durch die von Heimatliebe und –begeisterung überströmenden Phrasen vieler Vertreter der Partei […] täuschen lassen.“ – Einschätzung: Indirekte Bestätigung der Einstellung Wagenfelds für den Nationalsozialismus. Schreiben Zuhorns trägt zur Einstellung des EntnazifieirungsVerfahrens bei. Es ging um die Zahlung der Hinterbliebenenrente an Ehefrau Grete Wagenfeld.

Lexikon westf. Autorinnen u. Autoren: http://www.lwl.org/literaturkommission

Die ausführliche Darstellung von Wagenfelds Weg und Werken sollte wegen einer darin greifbaren typisch westfälischen Konstellation darauf aufmerksam machen, wo ernster katholischer Konservativismus, namentlich wenn er sich in der Dichtung noch mit der symbolistischen wie expressionistischen Neigung zur allegorischen Abstraktion paarte, der Assimilation des biologischrassisch begründeten Heimat- und Volkstumsgedankens entgegenkam: in der Unge-schichtlichkeit des Denkens, die einer romantischen Idealisierung ausgewählter älterer Geschichtszustände Raum gibt. Sie sollte aber auch auf die Spannungen und Brüche hinweisen, die bei dieser Assimilation entstehen oder doch entstehen mußten: zwischen naturhaftem Schicksal und geschichtlicher Verantwortung aus christlicher Überzeugung. (von Heydebrand 1983) Wagenfelds Heimatbegriff wird von R. Schepper 1990 in die Nähe der "Blut-und-Boden"-Ideologie gerückt: Wir fassen bis hierher [1932] Wagenfelds Menschenbild zusammen: Neger, Kaffern und Hottentotten sind Halbtiere, Fremdrassige sind Volksverderber und Schädlinge, Menschen in "Krüppel- und Idiotenanstalten", in Fürsorgeheimen und Strafanstalten sind körperlich und geistig Minderwertige. Es ist jenes Menschenbild, das der Nationalsozialismus zur Errichtung seiner Ideologie vom Herrenmenschen und Untermenschen, zum Erlaß der Nürnberger Gesetze vom 16.9.1935, zur Euthanasie geistig und psychisch kranker Menschen, zum Kampf gegen alles "Artfremde", zum Krieg gegen "Frankreichs Haß" und "Polens Gier" benötigte und benutzte.

Siehe auch Christoph Schmidt, Nationalsozialistische Kulturpolitik in Münster zwischen 1933 und 1937. Schriftliche Hausarbeit Münster 1999, S. 53: „Ehrenrente“ für Karl Wagenfeld (NS-Kulturförderung in Westfalen) S. (84/85: Exkurs: Westfälischer Heimatbund: Die Stellung Wagenfelds als Landschaftsführer und einer Integrationsfigur zwischen alter Heimatbewegung und neuen Machthabern blieb unangetastet. Dessen Leiter berief ihn am 29. 3. 1934 als „Fachreferent für westfälische Heimatfragen“ in die Reichsführung. S. 87: Zitiert Ditt „Nach dem Beginn des Dritten Reiches sorgte Schulte zusammen mit Wagenfeld und dem neuen Kulturdezernenten Ernst Kühl dafür, dass die Programmatik und Arbeit des WHB nicht mit der nationalsozialistischen Kulturpolitik in Widerspruch geriet.“ S. 87/88 Belege für ein rassisch definiertes Heimatverständnis, Nähe zu Elementen nationalsozialistischer Ideologie ist frappant… Wagenfeld hatte keinerlei Schwierigkeiten, sich mit den neuen Verhältnissen nach 1933 anzufreunden, Arbeit des Westfälischen Heimatbundes sei eine Vorarbeit des Nationalsozialismus.

Siehe auch: Karl Ditt, Raum und Volkstum. Die Kulturpolitik des Provinzialverbandes Westfalen 1923-1945, Münster 1988, S. 208 ff: Karl Wagenfeld war Anfang 1933 zum ersten Vorsitzenden des Westfälischen Heimatbundes gewählt worden. Er wiederholte öffentlich und mehrfach, der WHB brauche sich nicht gleichzuschalten, da er schon immer für den Nationalsozialismus eingetreten sei. Rede Wagenfelds auf dem Westfalentag 1933 dokumentiert starke Nähe zum nationalsozialistischen Gedankengut. Ditt spricht vom „öffentlichen Bekenntnis des WHB zum Dritten Reich“. Karl Wagenfeld war 1933 NSDAP-Mitglied, Landschaftsführer Westfalen, Mitglied der Reichsführung des RVH (NS-Reichsbund Volkstum und Heimat) S. 212 / Anm. 176: NS-Gauleiter Meyer sprach von einer „engen Wesensverwandtschaft der Gedankengänge Wagenfelds und der Arbeit des Westfälischen Heimatbundes mit den Grundgedanken des Nationalsozialismus … Volk, Blut, Boden, Heimat sind Ideen des Nationalsozialismus“