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Ausschnitt eines alten Stadtplans von Münster aus dem Jahre 1862
 
Straßenschild Ringoldgasse
 
 
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Bodelschwinghstraße

Stadtbezirk:Münster-Hiltrup
Statistischer Bezirk: Hiltrup-Mitte
Entstehung: 1958
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Benannt nach Friedrich von Bodelschwingh, (1834-1910), Leiter der Betheler Anstalten. Aus einer alten westfälischen Adelsfamilie stammend, wurde er zunächst Landwirt, begann 1854 mit dem theologischen Studium. 1858 Pfarrer der deutschen Gemeinde in Paris, 1864 in Dellwig bei Unna, übernahm er 1875 die Leitung des Diakonissenmutterhauses und der Heil- und Pflegeanstalt in Gadderbaum bei Bielefeld, die unter seiner Leitung als Betheler Anstalten zu einem Mittelpunkt der Inneren Mission und der diakonischen Arbeit wurden.
Quelle: Stadt Bochum, Bochumer Straßennamen, 1993


Reformer wider Willen
Bodelschwingh - vornehm geboren und Pastor der Ärmsten

Bethel. Friedrich von Bodelschwingh, der zu den großen Gründergestalten der Diakonie des vergangenen Jahrhunderts und zu den wenigen Sozialengagierten innerhalb der damaligen evangelischen Kirche gehörte, starb am 2. April 1910 im Alter von 70 Jahren. Obwohl Bethel nicht seine ureigenste Gründung, sondern eine der Bielefelder Kaufmannschaft war und er erst 1872 als zweiter Anstaltsleiter die kleine im Aufbau befindliche Heimstatt für Epileptiker bei Bielefeld übernahm, ist Bethel doch sein Werk. Für die Nöte und Leiden, aber auch für die Bedürfnisse der kranken und sozial schwachen Menschen war er äußerst sensibilisiert, und sein pragmatischer Verstand nahm vielfältige Ideen auf, setzte sie in die Tat um, und er fand ebenso einfache wie geniale Lösungen, die wegweisend waren.

Friedrich von Bodelschwingh wurde am 6. März 1831 in Tecklenburg geboren und als Sohn des preußischen Innenministers zusammen mit Kronprinz Friedrich Wilhelm, dem späteren 99-Tage-Kaiser Friedrich III., in Berlin erzogen. Nach seinem Abitur erlernte er die Landwirtschaft und arbeitete zunächst als Gutsinspektor in Pommern. Als 22jähriger entschloss er sich zum Theologiestudium mit dem Ziel "Heidenmissionar" zu werden. Anstatt in den Urwald wurde er 1858 als "Gassenkehrer-Pastor" in die Pariser Elendsviertel verschlagen, wo etwa 80.000 bis 100.000 Deutsche als Gastarbeiter die niedrigsten Arbeiten verrichteten. In diesem Amt setzt er erstmals Bildung und Pädagogik als Therapie und Mittel zum sozialen Aufstieg ein und gründete für die deutschen Kinder eine Schule in dem Pariser Vorort La Vilette. Sie gilt als Vorläufer der deutschen Schule in Paris.

In Bethel entwickelte Bodelschwingh Ideen zur Hilfe für Anfallkranke, aber auch für psychisch kranke Menschen, die aber erst annähernd 70 Jahre nach seinem Tod wieder in der "Psychiatrie-Enquente" der Bundesregierung aufgegriffen wurden. Die Grundentscheidung, aus der "Bethel" zu Deutsch "Haus Gottes" entstand, war eine "Kolonie für Anfallskranke" zu bauen. In ihr sollten Menschen, die bis dahin am Rande der Gesellschaft leben mussten und oft von ihren Angehörigen versteckt wurden, einen neuen Lebensraum erhalten. Dazu gehörte nach Bodelschwinghs Verständnis ein Gemeinwesen mit Gewerbebetrieben und Arbeitsmöglichkeiten für Behinderte, denn das Recht auf Arbeit sah Bodelschwingh als Teil der Menschenwürde. Sein Motto lautete "Arbeit statt Almosen".

Um dem "grauen Elendswesen" auf den Landstraßen entgegenzuwirken, baute er 1881 die Arbeiterkolonie "Wilhelmsdorf" in der Senne auf. Sie war die erste stationäre Nichtsesshafteneinrichtung in Deutschland. Es folgte im Wietingsmoor die Arbeiterkolonie "Freistatt" und 1905 schuf er vor den Toren Berlins die Arbeiterkolonie "Hoffnungstal".

Für seine "Brüder von der Landstraße" ließ er sich 1903 als unabhängiger Abgeordneter in den preußischen Landtag wählen, um die soziale Gesetzgebung zu beeinflussen. Er sah auf der einen Seite die drohende Revolution und auf der anderen Seite die soziale Ungerechtigkeit. Mit seinem sozialen Engagement wollte er im Grunde die Monarchie retten, und sein Programm hieß, jedem Arbeiter sein eigenes Haus zu geben. Er war kein Sozialist und war doch in seinen Ansätzen radikaler als sie.

Soziales Engagement und ökologisches Verantwortungsbewusstsein zeigten sich auch bei seinem Missionswerk, der "Bethelmission", die insbesondere in Ostafrika im heutigen Tansania und Ruanda aktiv war. Dort untersagte er den Missionaren, den wertvollen Rohstoff Holz für ihre Bauten zu verwenden und versuchte, dem Raubbau der Kolonialzeit entgegenzuwirken. Er sorgte sich in der Heimat um die Reinhaltung des Wassers, versuchte sich mit Luftschiffkonstruktionen und gilt als einer der Väter des deutschen Bausparwesens. Da er eigene Vorstellungen über die Theologieausbildung hatte, ging er auch dabei in Bethel neue Wege, gründete das Kandidatenkonvikt und die Theologische Schule.

1910 wurden in seinen Anstalten Bethel, Eckardtsheim, Freistatt und Lobetal etwa 4.000 Bewohner und Patienten betreut. Die Statistik der Schwesternschaft "Sareptas" wies im selben Jahr 1335 Angehörige aus und die Bruderschaft "Nazareth" 45 Brüder. "Sarepta" und "Nazareth" leisteten auch außerhalb Bethels diakonische Arbeit, denn Bodelschwinghs Ideen und Engagement wirkten weit über Bethel hinaus.

Bodelschwingh war ein Sozialreformer wider Willen. Er wollte nur Pastor sein. So sollte auch Bethel, dessen geistlicher Mittelpunkt die "Zionsgemeinde" war, nur eine Gemeinde sein, in der man sich "auf die Ewigkeit vorbereitete". So steht auf Bodelschwinghs Grabstein auf dem Betheler Friedhof lediglich "Pastor an der Zionsgemeinde".

Autor: Manfred Hellmann
Quelle: Münstersche Zeitung am 2. April 1985


Die Väter und Söhne von Bodelschwingh
1831 kam Friedrich von Bodelschwingh in Tecklenburg zur Welt. Eigentlich wollte er - wie sein Vater - Landwirt werden, studierte dann aber Theologie. Sein Beruf brachte ihn in die Gegend von Bielefeld. Zu jener Zeit hatten engagierte Christen dort Häuser geschaffen, in denen kranke und behinderte Menschen gepflegt und betreut wurden. Als 34-jähriger Pfarrer begann Friedrich von Bodelschwingh, die bereits vorhandenen Einrichtungen auszubauen und zu koordinieren; und so war es sein Verdienst, dass der Grundstein für die größte evangelische Pflegeeinrichtung mit Ausbildungsstätten für fachkundiges Personal gelegt werden konnte.

Sein Sohn Friedrich Wilhelm trat in jeder Beziehung in seine Fußstapfen. Er war 1877 in Bethel geboren worden. Nach dem Studium der Theologie setzte er die Arbeit seines Vaters, der im April 1910 gestorben war, engagiert fort. Gleichzeitig übernahm er die Leitung der Diakonissenanstalt Sarepta. Die große Anerkennung, die ihm allgemein zuteil wurde, und die Sympathie, die man seiner Person und seinem Werk entgegenbrachte, zeigten sich auch darin, dass Vertreter der Evangelischen Landeskirche ihn 1933 für die Position des Reichsbischofs nominierten. Die Nationalsozialisten verhinderten dies jedoch und übertrugen statt seiner dieses Amt Ludwig Müller.

Dennoch setzte sich Friedrich Wilhelm von Bodelschwingh weiter für andere Menschen ein. Dem erbitterten Widerstand, den er gemeinsam mit dem Münsteraner Kardinal von Galen leistete, war es zu verdanken, dass die Nazis ihre Aktionen zur 'Tötung lebensunwerten Lebens' schließlich aufgeben mussten.

Nach seinem Tod im Jahre 1946 übernahm ein Neffe seines Vaters, Friedrich von Bodelschwingh, die Leitung der Anstalten. Geboren 1902 hatte auch er Theologie studiert. Seine berufliche Laufbahn führte ihn über Tübingen, Rostock, Zürich und Münster zurück an das Kandidaten-Konvikt in Bethel und an das Domstift in Berlin. Er war Bergmannspfarrer in Dortmund und Gemeindepfarrer in Schlüsselburg gewesen, bevor er 1943 zum Wehrdienst eingezogen wurde. 1946 übernahm er dann die Leitung der Bethel'schen Anstalten, denen er sich als Werk seiner Familie verpflichtet fühlte.

1967 veröffentlichte er seinen Predigtband 'Zeichen der Hoffnung'. Im selben Jahr wurde ihm anlässlich des hundertjährigen Jubiläums von Bethel das Große Verdienstkreuz mit Stern verliehen.

Seit 1990 wird die inzwischen weltweit bekannte Anstalt mit 120 verschiedenen Einrichtungen von einem Urenkel von 'Vater Bodelschwingh' geleitet.
Autorin: Veronika Schmitz
Quelle: Liselotte Funcke (Hrsg), Hagener Straßen erzählen Geschichte(n), Hagen 2001



Neben mehr als 110 Straßennamen aus dem Themenbereich katholisches Münster,  gibt es 14 Straßennamen nach Personen aus dem Bereich der evangelischen Kirche. Es sind die
Albert-Schweitzer-Straße, Bodelschwinghstraße, Bonhoefferstraße, Clemens-Theodor-Perthes-Weg, Dorothea-Petersmann-Weg, Ellen-Scheuner-Weg, Fliednerstraße, Jochen-Klepper-Straße, Junker-Jörg-Platz, Martin-Luther-Straße,
10
Martin-Niemöller-Straße, Paul-Gerhardt-Straße, Wichernstraße und Wilhem-Spieker-Straße.