A bis Z

Ausschnitt eines alten Stadtplans von Münster aus dem Jahre 1862
 
Straßenschild Ringoldgasse
 
 
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W Y Z 

Suche

Muckermannweg

Stadtbezirk:Münster-West
Statistischer Bezirk: Sentrup
Entstehung: 1954
im Stadtplan anzeigen

Benannt nach Friedrich Muckermann, (1883-1946), Jesuitenpater und kath. Publizist, vom NS-Regime verfolgt

 

Friedrich Muckermann, *17.8.1883 Bückeburg, †2.4.1946 Montreux, Widerstandskämpfer, Jesuit. Einer der Wenigen, die schon lange vor der Machtergreifung Hitlers gegen den Nationalsozialismus gekämpft haben, ist Friedrich Muckermann. Der Jesuit arbeitete schon seit Beginn der 20er Jahre mit publizistischen Mitteln gegen die braune Bewegung, die auch im Münsterland immer mehr Anhänger gewann. Sein Korrespondenzbüro lag an der Königstraße. Unmittelbar nach der Machtübernahme 1933 zerstörte die Gestapo das Büro. Muckermann entging der Verhaftung um Haaresbreite durch Flucht in die Niederlande. Dort führte er seinen Kampf fort, indem er die Zeitung Der deutsche Weg gründete, die er illegal nach Münster bringen ließ. Als er 1940 auch Holland verlassen musste, ging er zunächst nach Paris, dann in den unbesetzten Teil Frankreichs. 1943 floh er in die Schweiz. Während all dieser Jahre arbeitete Muckermann unermüdlich als Journalist, Buchautor und Radiosprecher gegen den Nationalsozialismus. Muckermann starb nach einer schweren Krankheit 1946 in Montreux.
Quelle: Detlef Fischer, Münster von A bis Z, Münster 2000


Friedrich Muckermann - mutiger Kämpfer gegen den Nationalsozialismus

Der Jesuitenpater Friedrich Muckermann zählt in mehrfacher Hinsicht zu den herausragenden Gestalten des deutschen Katholizismus. Er verdient es darüber hinaus durchaus, zu den herausragenden Gestalten der deutschen Geschichte, insbesondere der Geistesgeschichte, gezählt zu werden. Aber er scheint weitgehend in Vergessenheit geraten zu sein. Jedenfalls findet er nicht jene Beachtung, die er insbesondere aufgrund seines sehr mutigen und einfallsreichen Kampfes gegen den Nationalsozialismus verdient. Grund genug also, in seinem 60. Todesjahr erneut an ihn zu erinnern.

Friedrich Muckermann wurde 1883 in Bückeburg, Schaumburg-Lippe, geboren und trat bereits als Sechzehnjähriger in den Jesuitenorden ein. Den Ersten Weltkrieg erlebte er als Feldgeistlicher zunächst kurzfristig an der Westfront, danach an der Ostfront. Nach Kriegsende wurde er in Wilna von Bolschewisten verhaftet und für etwa zehn Monate inhaftiert. Nach seiner Entlassung öffnete ihm ein führender polnischer Kommunist (Dr. Julian Marchlewski) während der Bahnfahrt zwischen Wilna und Warschau in einem langen, intensiven Gespräch die Augen für die wahren Ziele des Kommunismus: "Ihnen muss ich die ganze Wahrheit enthüllen", sagte er sehr erregt zu Muckermann: "Wir wollen mehr als eine neue Wirtschaftsordnung. Wir wollen einen ganz neuen Menschen. Um ihn zu bilden, müssen wir das Menschenbild eurer Kirchen zerschlagen. Unser Weg zum neuen Menschen kann nur über die Leiche eurer Kirche gehen". In dieser Äußerung sah Muckermann den Schlüssel zu einer angemessenen Beurteilung des Verhältnisses von Christentum und Bolschewismus. "Niemals werde ich diese Unterredung im Abteil jenes Lazarettzuges vergessen, der währenddem durch die Nacht dahinfuhr, dem Abendlande entgegen, dem Lande der Freiheit - wenigstens der Idee nach und damals noch".

Muckermann erkannte im Bolschewismus eine Weltanschauung, die eine geistige Auseinandersetzung erforderte. So schrieb er folgerichtig in einer Aufklärungsschrift über den Bolschewismus: "Man braucht kein scharfer Beobachter zu sein, um zu sehen, was diese Revolution eigentlich will. Das Wider Gott ist ihre innerste Seele, ist ihr eigentliches Ziel". Er hielt es für seine Pflicht, darüber zu berichten, "welche Teufel in Menschengestalt nun über Russland herrschen, welche Hölle sie entfesselt haben um die Unglücklichen, die dort leben müssen, welche grausige Hoffnungen sie sich machen von der Zukunft Europas".

Die Aufklärung der Öffentlichkeit über die wahren Ziele des Bolschewismus und sehr bald auch über die des Nationalsozialismus nahm in der ungewöhnlich produktiven publizistischen Tätigkeit Muckermanns, die er ab 1923 von Münster aus entfaltete, breiten Raum ein. Dabei war er eigentlich viel stärker an Literatur als an Politik interessiert. Für eines seiner bedeutendsten Bücher mit dem schlichten Titel "Goethe" zum 100. Todestag 1932 erhielt er die Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt am Main. Aber die Zeitumstände zogen ihn immer mehr in die weltanschauliche Auseinandersetzung mit den beiden totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts hinein. Sie wurde zum Hauptthema seines Lebens. Durch sie wurde er europaweit bekannt und ob seines Mutes bewundert, von den Nationalsozialisten entsprechend gehasst und zum "Staatsfeind Nr. 1" erklärt.

In einer kaum zu überblickenden Vielzahl von Broschüren, Zeitungsartikeln und Vorträgen in vielen Ländern Europas warnte Muckermann mit seltener Klarheit, oft mit Ironie oder auch mit Sarkasmus vor den Gefahren der beiden Ismen, die durch ihre antichristliche Grundausrichtung und totalitäre Zielsetzung miteinander verbunden seien. Etliche dieser Artikel erschienen in der von Muckermann in Münster herausgegebenen literarischen Zeitschrift "Der Gral", deren eigentliches Ziel es war, Katholiken für Literatur zu interessieren und sie über neue literarische Werke und Trends zu informieren.

Bezeichnend für Muckermanns Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus war, dass er nicht nur den braunen Ungeist zurückwies, sondern auch die Kritiklosigkeit bzw. "Instinktlosigkeit" der Anhänger schonungslos attackierte, durch die der Ungeist erst zur Gefahr wurde. Dies sei am Beispiel eines Textes mit dem sehr sprechenden Titel "Pompa diaboli" (Prunkwerk des Teufels), der im Juni 1934 im "Gral" erschien, exemplarisch verdeutlicht. Darin rechnet er mit der "Instinktlosigkeit" jener Deutschen ab, die sich vom Nationalsozialismus blenden ließen: "Man höre sich die Urteile von Gebildeten, die das Sakrament der Taufe empfangen haben, über Bewegungen und Bücher an. Man fällt von einem Staunen ins andere. Urteile werden gefällt, Hoffnungen werden geäußert, dass einem die Haare zu Berge stehen. Tollkirschen unterscheidet man nicht mehr von echten, Wölfe nicht mehr von Lämmern, und jedes kulturelle Glatteis hält man für einen Felsengrund aus Granit. Menschen, die einmal in einer frommen Stunde gedacht und gebetet haben, dass Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben sei, torkeln durch die Weltgeschichte wie jene Kranken, denen die Gleichgewichtsvorrichtung im Ohr gestört worden ist. Man kann nicht einmal sprechen von bösem Willen, oft auch nicht von Feigheit, nicht einmal immer von Dummheit, zeichnen sich doch nicht selten Universitätsprofessoren durch jene Erscheinung aus, die wir im Auge haben. Es fehlt etwas, was man bei einem Kinde häufig genug hat beobachten können, der Instinkt für gute Menschen oder böse. Selbst bei manchem treuen Hunde scheint ein dunkles Gefühl vorhanden zu sein für die Zugehörigkeit eines Hausbesuchers zum Kreis der Freunde oder zur Zunft der Diebe".

Sarkastisch hält Muckermann hier ideologisch verblendeten deutschen Katholiken und darüber hinaus allen durch "Instinktlosigkeit" gefährdeten Deutschen die Folgen ihrer Verblendung vor: "Man denke nur an die Zeit, als noch der gebildete Europäer für den Bolschewismus schwärmte. Man erinnere sich an das bürgerliche Publikum, das rasend Beifall klatschte, wenn ein Stück über die Bühne ging, das eben diesen Bürger, der aus dem Rausch des Entzückens nicht erwachen wollte, so schöne Morgengaben einer besseren Zeit wie die Tscheka, wie Diktatur des Proletariats, wie völlige Ausrottung versprach. Damals konnte man das unzarte Sprichwort nicht oft genug anwenden: Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber".

Mit solchen Artikeln musste Muckermann zwangsläufig ins Visier der Gestapo geraten. Da er selbst in ihren Kreisen Freunde hatte, wurde er rechtzeitig gewarnt; aber er ließ sich nicht einschüchtern. Das veranlasste die Gestapo schließlich, der Reichsregierung im Juni 1934 ein Redeverbot für Muckermann vorzuschlagen. Es sei nicht hinnehmbar, wenn "dem Jesuitenpater Muckermann weiterhin gestattet wird, derartige Vorträge zu halten und dadurch das Gesamtwohl und die Einheit der neuen deutschen Nation zu gefährden".

Zeitweilig bekämpfte Muckermann die Nationalsozialisten nicht nur mit Worten, sondern sogar organisatorisch, indem er in Münster eine "Liga" gründete, eine Art katholischer Gegen-SA: eine Organisation von katholischen jungen Männern zum Schutz der Versammlungen, in denen Muckermann sprach, und darüber hinaus allgemein zum Schutz der Republik gegen ihre Feinde. Er schreibt dazu in seinen Erinnerungen: "Die Idee war bei mir geboren aus der einfachen Überlegung, dass angesichts des Aufstiegs totalitärer Weltanschauungen die absolute Notwendigkeit bestehe, Gruppen zu sammeln, die bereit wären, ihr Leben für die christlichen Ideale und ihre Verteidigung im Staat hinzugeben".

Die Ereignisse um den 30. Juni 1934 ("Röhm-Putsch") zeigten Muckermann, welche Gefahr auch ihm drohte. Um seiner zu erwartenden Verhaftung zu entgehen, floh er am 14. Juli 1934 nach Holland, von wo aus er mit der Wochenzeitschrift "Der Deutsche Weg" den Kampf mit um so größerer Entschiedenheit und Schonungslosigkeit fortsetzte. Seine Anschuldigungen steigerten sich zu der Aufforderung, dem NS-Staat die Loyalität zu verweigern, da nicht mehr der Staat der Träger der Souveränität sei, sondern die Partei, die diesen Staat für ihre Ziele missbrauche.

Diese rigorose Konfrontation verstärkte den Druck der Nationalsozialisten auf den Jesuitenorden, so dass sich der Ordensgeneral gezwungen sah, Muckermann, der sehr wohl wusste, dass er aufgrund seiner Tätigkeit "ein Kreuz für den General" war, Anfang 1935 nach Rom abzuberufen. Aber auch hier ließ er von seiner Tätigkeit für den "Deutschen Weg", der weiterhin (unter wechselnden Namen) in Holland erschien, nicht ab. Im Herbst 1935 nahm er sogar wieder Vortragsreisen durch halb Europa auf, in denen er nicht nur vor der nationalsozialistischen Gefahr warnte, sondern auch Kontakt zu Personen und Gruppierungen aufnahm, die sich dem Kampf gegen den Nationalsozialismus verschrieben hatten. Im Oktober 1937 verlegte er seinen Aufenthalt von Rom nach Wien, um dort seinen Kampf fortzusetzen. Hier nutzte er seine schon aus früheren Zeiten bestehenden Kontakte - etwa zum österreichischen Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg, aber auch zur tschechoslowakischen Staatspräsidenten Eduard Benesch - zu dem Versuch, eine Koalition zwischen Österreich, Ungarn und der Tschechoslowakei zur Rettung der Unabhängigkeit Österreichs zustande zu bringen. Als die deutschen Truppen im März 1938 in Österreich einmarschierten, hielt sich Muckermann zufällig auf einer Konferenz in der Schweiz auf, so dass er seiner sicheren Verhaftung diesmal durch Zufall entging.

Fortan hielt sich Muckermann in Paris auf. Auch von dort aus betreute er die noch immer erscheinende Wochenschrift "Der Deutsche Weg" in Holland weiter, bis diese nach dem Einmarsch der Deutschen in Holland im Mai 1940 nicht mehr erscheinen konnte. Mit knapper Not entging Muckermann der mit den deutschen Truppen in Frankreich ebenfalls einrückenden Gestapo und fand Unterschlupf in einem kleinen Flecken, der nach dem Waffenstillstand vom 22. Juni 1940 zur unbesetzten Zone Frankreichs gehörte. In dieser Zeit seiner unfreiwilligen Zurückgezogenheit verfasste er seine umfangreichen Lebenserinnerungen. "Diese Memoiren dürften in gewisser Weise einzig in ihrer Art sein", urteilt ihr Herausgeber Nikolaus Jung SJ. "Es wird sich wohl kaum jemand finden, der einen ähnlichen umfassenden Zeitbericht aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen aufweisen und aus eigenem Erleben über alle Gebiete des geistigen, kulturellen, religiösen und auch politischen Lebens dieser Periode gleich authentisch zu berichten vermöchte wie Friedrich Muckermann".

Auch nach seiner Flucht aus Deutschland und selbst noch von Rom aus konnte Muckermann Kontakt zu "seiner" Redaktion des "Gral" in Münster halten. Die Hauptverbindungsperson war seine getreue Mitarbeiterin Nanda Herbermann, die dafür mit Haft im KZ Ravensbrück büßte. Sie stand in Münster in engem Kontakt mit Domprediger Adolf Donders und über ihn auch mit Bischof Clemens August Graf von Galen, beide "in der betonten Ablehnung des Nazismus einmütig verbunden" (Georg Schreiber). Zu diesem Widerstands-Kreis gehörte trotz seiner Abwesenheit von Münster seit 1934 über Nanda Herbermann auch Friedrich Muckermann.

Nanda Herbermann wurde im Februar 1941 verhaftet und nach eingehenden Verhören ins KZ Ravensbrück überführt. Der Grund war ihr klar: ihre Tätigkeit für Muckermann. Nach ihrer Entlassung aus dem KZ Ravensbrück im März 1943 erfuhr Nanda Herbermann den von Reinhard Heydrich unterzeichneten Inhalt ihres "Schutzhaftbefehls": "Sie gefährdet nach dem Ergebnis der staatspolizeilichen Feststellungen durch ihr Verhalten den Bestand und die Sicherheit des Volkes und Staates, indem sie durch ihre staatsfeindliche Betätigung und Zusammenarbeit mit einem der entschiedensten und schärfsten Gegner des Nationalsozialistischen Staates die Interessen des Reiches auf das Schwerste schädigt".

Muckermann konnte sich Anfang März 1943 durch eine abenteuerliche Flucht in die Schweiz dem drohenden Zugriff der Gestapo in Südfrankreich entziehen. Hier lebte er weiterhin zurückgezogen, wozu ihn auch die Neutralität der Schweiz verpflichtete, verfasste aber noch drei wichtige Werke: "Der Mensch im technischen Zeitalter", "Wladimir Solowiew. Zur Begegnung zwischen Russland und dem Abendland" und "Der Deutsche Weg". Am 2. April 1946 ist Friedrich Muckermann im Krankenhaus zu Montreux verstorben. Er wurde auf dem Friedhof des Exerzitienhauses Schönbrunn bei Zug beigesetzt. Die Grabrede hielt der langjährige Freund und frühere Reichskanzler Dr. Joseph Wirth.

In Münster, wo Muckermann von 1923 bis zu seiner Flucht 1934 lebte und wirkte, wurde er posthum im Juni 1946 in einer eindrucksvollen Feier gewürdigt. Der Westfälische Oberpräsident Dr. Rudolf Amelunxen erklärte in seiner Rede, der Streiter, Dichter, Künstler, Journalist und Gottesgelehrte Friedrich Muckermann habe "mit vorbildlicher Geradheit und geistiger Klarheit den Kampf gegen den Nationalsozialismus geführt wie nur wenige Westfalen, wie nur wenige Deutsche. Wir Westfalen sind über alle Maßen stolz auf diesen Mann, dessen Namen heute in Europa einen Ruf hat (...). Wir danken ihm, dass er den deutschen Namen überall in der Welt würdig vertreten hat. Er war ein Exponent jenes anständigen Deutschland, das in den verflossenen Jahren der Schmach unendlich gelitten, sich täglich immer wieder in Grund und Boden geschämt hat und heute bereit ist, dabei mitzuwirken, dass unseren Kindern und Kindeskindern eine bessere Zukunft bereitet wird".

Autor: Johannes Schwarte
Quelle: Westfälische Nachrichten, Auf Roter Erde, Oktober 2006

Gehört zum Thema: