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Antisemitismus in Münster
Gespräch mit Margarita Voloj und Fachpersonen aus Beratungsstellen und historisch-politischer Bildungsarbeit
Was ist los in Münster?
Verschwörungstheorien rund um Corona, die abwertende Stereotype gegenüber jüdischen Menschen aufgreifen, und antisemitische Vorfälle im Zuge von Demonstrationen zum Nahostkonflikt zeigen deutlich die breite Fächerung von Antisemitismus und seine Anschlussfähigkeit an aktuelle gesellschaftliche Debatten. Eine Auseinandersetzung mit Formen von antisemitischer Diskriminierung findet jedoch häufig über eine Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus und Holocaust statt. So wichtig diese Erinnerungskultur ist, entsteht gesamtgesellschaftlich teilweise der Eindruck, dass Antisemitismus ein Problem der Vergangenheit sei. Wie falsch diese Annahme ist, verdeutlichten eindrücklich die Schilderungen von Margarita Voloj, Beauftragte gegen Antisemitismus der Jüdischen Gemeinde Münster, im Gespräch mit Fachpersonen aus Beratungsstellen und interessierten Münsteraner Bürgerinnen und Bürgern. „Was ist los in Münster?“ Mit dieser Frage lud die Villa ten Hompel zum Austausch über Formen des Antisemitismus in Münster – ein Thema, bei dem das Bild einer „Stadt ohne Probleme“ nicht erst seit dem Versuch der Verbrennung einer israelischen Fahne vor der Synagoge im Mai 2021 nicht standhalten kann.
Der Ton habe sich verändert, berichtete Voloj in dem von Peter Römer und Rahel Thiel moderierten Gespräch über die veränderte Atmosphäre und Entwicklung der letzten Zeit: Antisemitismus zeige sich heute offener und nicht mehr hinter vorgehaltener Hand, wie es zuvor oft der Fall war. So sähen es viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde als das Beste an, sich zu verstecken, und nähmen auch Beratungsangebote selten in Anspruch.
Beratungsangebote von Stellen wie der Antidiskriminierungsberatung und Intervention bei Antisemitismus und Rassismus (ADIRA) und der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (Mobim). Johanna Lauke und Heiko Klare stellten Tätigkeitsfelder und Unterstützungsangebote für Betroffene von Antisemitismus und anderen Diskriminierungsformen bzw. für Akteure in Sozialräumen wie Schulen und Vereinen vor, die mit Antisemitismus konfrontiert sind. Ebenso wie Peter Römer, neben Stefan Querl stellvertretender Beauftragter der Stadt Münster in Antisemitismusfragen, stellten sie die Chancen und Grenzen antisemitismuskritischer Bildungsarbeit heraus, die darauf aufmerksam machen könne, dass Antisemitismus eine gesamtgesellschaftliche und aktuelle Angelegenheit ist, die auch abseits von aktuellen Vorfällen eine höhere Sichtbarkeit haben sollte. Das Potential für antisemitische Einstellungen zeige sich nicht nur bei „überzeugten Antisemitinnen und Antisemiten“, sondern entstehe auch durch eine unbewusste Sozialisierung.
Wie kann diesen Äußerungen und Denkweisen entgegengetreten, können Vorurteile beseitigt und kann Unwissen gegengesteuert werden, was jüdisches Leben und die jüdische Gemeinde ausmacht? Chancen sieht Margarita Voloj vor allem im Austausch: „Mehr Miteinander, das würde ich mir wünschen. Man soll nicht über uns reden, sondern mit uns.“