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Französisches Gedenken sichtbar machen
Ein FSJ-Projektbericht von Sarah Wagner
Eine FSJlerin und eine französische Gedenkstätte - was hat das miteinander zu tun? Jede*r FSJler*in gestaltet in seinem*ihrem Freiwilligenjahr ein eigenständiges Projekt. Da ich Halbfranzösin bin, kam in einem Gespräch mit meinen Kolleg*innen schnell die Idee auf, ein Projekt zu gestalten, das mit französischem Gedenken und dem Besuch einer Gedenkstätte zu tun hat. So kam es dann, dass ich am 4. Juni nach Metz fuhr und mich einer Führung durch das ehemalige Sonderlager „Fort Goeben“ anschloss. Im Anschluss daran habe ich durch ein Gespräch mit dem stellvertretenden Leiter Pascal Legros nochmal einiges von diesem Ort erfahren dürfen.
Im Gespräch mit ihm konnte ich lernen, dass der Ort bereits eine sehr lange Geschichte hat, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht! Das hatte auch Auswirkungen darauf, wie der Ort genannt wurde. Ich erfuhr, dass der Name unter dem die Festung heute bekannt ist, von dem Metzer Stadtteil kommt, in dem sie liegt: Queuleu. Seit der Errichtung zwischen 1867 und 1870 wurde es also Fort de Queuleu genannt. Sie war zeitweise aber auch unter einem deutschen Namen bekannt, als die Stadt Metz in verschiedenen Zeiträumen von Deutschen besetzt war. Sie haben die Festung 1873, während der ersten deutschen Besatzung, nach einem preußischen General benannt: Somit hieß es auch Fort oder Feste Goeben. Während des Nationalsozialismus und der zweiten Besatzung der Deutschen in Metz fand dieser Name wieder Verwendung. Dann wurde die Festung zweckentfremdet und als Sonderlager namens Feste Goeben genutzt. Wie kam es also dazu, dass die Festung so benutzt wurde?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir den Blick auf die von den Deutschen besetzte Stadt Metz richten. Denn ab 1940 begannen dort widerständige Aktionen. Auch die Widerstandsgruppe "Mario", die kommunistischen Aktionen in der Moselregion organisierte, wurde aktiv. Zu dieser Zeit wurde das Gebäude Grand Séminaire als Untersuchungs- und Militärgefängnis für französische Patriot*innen eingerichtet. Doch die Kapazitäten in den vorhandenen Metzer Gefängnissen reichten nicht mehr aus. So wurde im Oktober 1943 das Sonderlager Feste Goeben als Verhör- und Haftlager eingerichtet. Widerständige waren zwischen zwei Wochen und acht Monaten dort inhaftiert, danach wurden viele von ihnen in Arbeits- oder Konzentrationslager gebracht.
Die Ordnungspolizei, die bei uns in der Villa ten Hompel thematisch eine große Rolle spielt, wurde in keine der dortigen Aktivitäten eingeweiht. Sie wusste nicht einmal von dessen Existenz. Stattdessen führten die SS und Gestapo das Sonderlager. In dieser Zeit bewachten sie zwischen 1500 und 1800 Gefangene, vier von ihnen konnten fliehen und 36 starben dort. Vor der Ankunft wurden die Gefangenen teilweise stundenlang mit verbundenen Augen und gefesselten Armen und Beinen in Metz umhergefahren, um sie zu desorientieren. Sie wussten also nicht einmal, dass sie sich noch in Metz befanden.
Die Gefangenen lebten in überfüllten Gemeinschaftszellen. Ihr Alltag bestand aus Verhören und stillem Sitzen in den Zellen. Sie durften sich weder unterhalten noch bewegen und das Wachpersonal beaufsichtigte sie ununterbrochen. Für ihre Befragungen wandten die Aufseher Foltermethoden an. Besonders der Lager-"Verwalter" Georg Hempen war für seine Brutalität bekannt. Und doch schafften es am 19. April 1944 die vier Gefangenen René und Gaston Thill (18 und 19 J.) mit René Micheletti (23 J.) und Pierre Ehrmann (38 J.) durch einen Schacht fliehen. Sie hielten sich die ersten Stunden auf dem Gelände auf, was ihnen das Leben rettete. Denn während das Wachpersonal außerhalb des Lagers nach ihnen suchte, kam niemand auf die Idee, dass sie sich noch auf dem Gelände der Festung befinden könnten. So überlebten die vier Männer, die sich ein paar Wochen später wieder Widerstandsgruppen anschlossen.
Wenn wir uns jetzt auf den heutigen Gedenkort konzentrieren, merkt man, dass seine Geschichte eng mit der Biografie eines Verfolgten zusammenhängt: Firmin Nicolas. Der gelernte Friseur war während des Zweiten Weltkriegs schon früh widerständisch aktiv, zum Beispiel verteilte er Anti-Nazi-Flugblätter oder sprühte Graffitis. Bald wurden die Behörden auf ihn aufmerksam und brachten ihn 1944 in das Sonderlager. Dort musste er als Friseur arbeiten. Bis er schließlich am 5. Mai 1945 in Mauthausen befreit wurde, hatte er noch weitere Arbeitslager überlebt.
Im Jahr 1971 gründete er mit anderen ehemals Inhaftierten die Amicale des déportés et familles du fort de Queuleu (dt.: Vereinigung der Deportierten und ihrer Familien des Forts de Queuleu) und war bis ins Jahr 1993 ihr Präsident. In dieser Zeit richteten sie gemeinsam ein Museum, eine Gedenktafel und ein Denkmal für die französischen Widerstandskämpfer*innen und die Deportierten ein.
Heute ist sein Sohn, Thierry Nicolas, der Präsident. Wie er haben viele andere, die heute in dem Verein tätig sind, selbst Verwandte, die damals in dem Sonderlager inhaftiert waren. Wie wir sehen, ist es also nicht nur eine Vereinigung der damaligen Verfolgten, sondern auch eine der nachfolgenden Generationen.