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Täterinnen, Verfolgte, Widerständlerinnen
Volontärstagung zu Frauen im Nationalsozialismus
„Ganz normale Männer“ – täglich rekonstruieren Mitarbeitende der Villa ten Hompel die Bilder von Tätern. Von Polizisten, die gleichzeitig liebende Väter und Mörder sein konnten. Dass gleichermaßen „ganz normale Frauen“ zu Täterinnen werden konnten, zeigt sich an Orten wie dem Konzentrationslager Ravensbrück. Zwischen 1939 und 1945 waren in dem Lager in dem kleinen Ort Fürstenberg/Havel insgesamt etwa 120.000 Frauen inhaftiert. Beaufsichtigt wurden sie hauptsächlich von Aufseherinnen: jungen alleinstehenden Frauen, die zum Teil freiwillig, zum Teil im Rahmen des „Reichsarbeitsdienstes“ nach Ravensbrück kamen, und Müttern, deren Kinder am Wochenende mit in den Aufseherinnenhäusern unweit der Häftlingsbaracken schliefen. Über Täterinnen und weibliche Verfolgte des NS-Regimes sprachen Volontärinnen und Volontäre von Gedenk- und Erinnerungsorten aus ganz Deutschland bei einer Tagung in der Gedenkstätte Ravensbrück vom 27. Bis 29. Oktober unter dem Thema „Frauen und Nationalsozialismus“. Auch unsere Volontärin Kim Sommerer nahm an der Tagung des Arbeitskreises teil.
Das Konzentrationslager Ravensbrück war zwischen 1939 und 1945 das größte Frauen-Konzentrationslager auf dem Gebiet des damaligen Deutschen Reiches. Daneben befanden sich in Fürstenberg ein an das KZ angegliedertes Männerlager sowie ein „Jugendschutzlager“. Nach der Befreiung des Lagers wurde ein Teil als Kaserne der sowjetischen Armee genutzt, nach deren Abzug die 1959 eingeweihte Mahn- und Gedenkstätte erweitert wurde.
Heute sind wenige der Gebäude aus der Zeit des Konzentrationslagers erhalten: Die Standorte eines Teils der ehemaligen Häftlingsbaracken werden durch Bodenvertiefungen angedeutet, ein weiterer Teil des Geländes wurde mit Bäumen und Sträuchern angelegt; in den ehemaligen Wohnräumen der Aufseherinnen befindet sich heute unter anderem eine Jugendherberge; das Gebäude des Krematoriums ist ebenso zu sehen wie der einstige „Industriehof“, in dem eine Ausstellung über die Zwangsarbeit der Häftlinge informiert. In den Schneidereien und Textilwerken des Konzentrationslagers mussten die inhaftierten Frauen Häftlingskleidung und Uniformen der SS herstellen. Die ehemaligen „Führerhäuser“ beherbergen heute Ausstellungen, ebenso wie die Kommandantur, in der sich die Dauerausstellung der Gedenkstätte befindet. Hier hinterfragten die Volontärinnen und Volontäre kritisch die genderspezifische Repräsentation von Verfolgten des NS-Regimes durch deren Auswahl und „Drapierung“.
Hannah Sprute und Angelika Salzer (wissenschaftliche Mitarbeiterin und Volontärin in der Gedenkstätte Ravensbrück), Rene Emmendörffer, Gwendoline Cicottini (Volontär und Volontärin in der Gedenkstätte Buchenwald) und Johannes Lehmann (Volontär im Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg in Ulm) ergänzten die Diskussionen mit Vorträgen zu französischen Frauen und Widerstand im KZ Ravensbrück, Frauen im Speziallager Nr. 2 in Buchenwald, über Beziehungen und Verhältnisse zwischen deutschen Frauen und französischen Kriegsgefangenen und die justizielle Ahndung dieses „verbotenen Umgangs“ sowie über Lisa Weiß, Frau des u.A. in Dachau und Lublin-Majdanek als Kommandant tätigem Martin Weiß.
Die Tagung bot außerdem die Möglichkeit zum Austausch über die unterschiedlichen Arbeitsbereiche, Herausforderungen und Chancen der Volontariate an Orten der Erinnerung und Aufarbeitung der NS-Zeit. Bei allen Unterschieden in der Gestaltung des Volontariats waren sich doch alle Volontärinnen und Volontäre einig, dass gerade Tagungen eine solche Chance zum Perspektivwechsel und Fortbildung bieten.