Seiteninhalt
Erinnern für die Zukunft
Versöhnung durch historisch-politische Bildung: Veranstaltung des Evangelischen Forums Münster e.V.
Versöhnung zwischen Ost und West kann möglich sein, wenn … Leidensgeschichten anerkannt, Täter intensiv und offen in den Blick genommen und die Erfahrungen und Motive der anderen nachvollzogen und aktiv in die Verständigungsarbeit eingebracht werden.
Dies folgerten Winfried Nachtwei, ehemals Bundestagsabgeordneter der Grünen und Aktiver der Friedensbewegung, und Christoph Spieker, Leiter des Geschichtsortes Villa ten Hompel, in einer von dem Evangelischen Forum Münster e. V. organisierten Veranstaltung über die Rolle der Friedensbewegung und politischen Bildungsarbeit in der Versöhnung und Verarbeitung des Ost-West-Konfliktes.
Geert Franzenburg führte durch die Veranstaltung und übergab das Wort zunächst an Winfried Nachtwei, der die Friedensbewegung von Beginn an begleitete und mitgestaltete.
Als Zeuge der Zeit gab Nachtwei einen Überblick über die Friedensbewegung seit den 1980er Jahren und die Aktivität einiger Friedensbewegter für eine Erinnerungsbewegung, über die Aufarbeitung und Anerkennung des Krieges gegen die Sowjetunion als Vernichtungskrieg sowie das Schicksal der Verfolgten und Holocaust-Überlebenden aus dem Baltikum. Der „Versöhnungsprozess von unten“ sei zu der Zeit nicht von der Masse getragen worden, aber doch ein qualitativer Prozess gewesen. Die Bemühungen um Verständigung und Versöhnung waren aber auch immer wieder unterbrochen durch Zeiten der Aufrüstung, Kriege und Konfliktzuspitzung zwischen Ost und West. Auf der politischen Ebene fand nach dem Zerfall der Sowjetunion und in den 2000er Jahren eine Abrüstung und Übereinkunft über die Vernichtung von chemischen Waffen statt. Die Bemühungen um Versöhnung trugen Früchte in der Praxis: Frühere absolute Kriegsgegner arbeiteten nun zusammen.
Auch auf dem Rücken der Friedensbewegung baue die historische Bildungsarbeit der Villa ten Hompel auf, erklärte Christoph Spieker. Erst nach dem Zerfall der Sowjetunion sei es möglich gewesen, die NS-Geschichte näher aufzuarbeiten und die Bevölkerung mit den Erkenntnissen über Taten, Tatorte und Täter zu konfrontieren, da die Erinnerung zuvor im Zeichen des Ost-West-Konfliktes instrumentalisiert wurde. Die Erfolge der Friedensbewegung, die Versöhnung, schuf nun die Basis für die historische Bildungsarbeit und den so wichtigen Perspektivwechsel: Mit dem Blick vom Ausland auf die Villa konnten und können die Verbindungen des Ortes zu den Tatorten nachvollzogen und Verfolgtenperspektiven in die Bildungsarbeit eingebettet werden. Die Aufarbeitung und Sensibilisierung über persönliche Belastungen der Täter und Dilemmata gelte es nun auch weiterhin in die Versöhnungsarbeit einzubringen.
Für die Zukunft der Bildungsarbeit stelle sich nun die Herausforderung, „Rituale“ der Erinnerung neu zu vitalisieren und einen Transfer in die Gegenwart zu leisten, denn wir „erinnern für die Zukunft“: ein Appell an die jüngeren Teilnehmenden, aber auch die gesamte Gesellschaft, den Staffelstab derer zu übernehmen, die sich bisher für die Erinnerung und Aufarbeitung einsetzten, und sich aktiv in die Gesellschaft und eine Erinnerungs- und Verständigungsarbeit einzubringen.