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Forschung: Laufende Projekte
Exile Letters

Dezember 2024: Maya Waldeck, Kanada (li.), Ruth Federman Stein und Josh Federman, USA, bei der Projektvorstellung in der Stadtbücherei Münster. Copyright: Rita Schlautmann-Overmeyer
Korrespondenzen jüdischer Familien aus Münster. Ein Kooperationsprojekt des Instituts für vergleichende Städtegeschichte (IStG) und der Villa ten Hompel (VtH).
Im Rahmen der Ausstellungsvorbereitung „Geschichte der Juden in Münster“ lernten Gisela Möllenhoff und Rita Schlautmann-Overmeyer 1988 Gerda Friedeman geborene Waldeck aus den USA kennen. Diese ebnete den Weg zu zahlreichen jüdischen Emigranten aus Münster in aller Welt, so dass im Laufe der Jahrzehnte eine umfangreiche Dokumentensammlung zur jüdischen Geschichte Münsters entstand. Der Vorlass der beiden Historikerinnen befindet sich seit einiger Zeit in der Villa ten Homple (Dep. 446: Sammlung Gisela Möllenhoff / Rita Schlautmann-Overmeyer) und wird von Rita Schlautmann-Overmeyer mit Unterstützung von Dr. Christoph Spieker archiviert und inventarisiert.
Zu diesem Depositum gehören auch die etwa zwanzig Originalbriefe der jüdischen Münsteraner Kaufleute Henny und Carl Waldeck, Eltern von Gerda Friedeman, aus den Jahren 1940/41. Die Briefe richten sich an die in verschiedene Teile der Welt emigrierten fünf Waldeck-Kinder. Zusammen mit den mehr als 100 Briefen, die Gerda zwischen 1939 und 1942 von ihrem ins englische Exil geflüchteten Ehemann Simon Friedeman erhalten hatte, bilden sie den Grundstock für die digitale Briefedition „Exile Letters Friedeman-Waldeck“. Hierfür haben die Mitarbeitenden des IStG, Rita Schlautmann-Overmeyer und Simon Dreher, die Briefe erschlossen, kommentiert und ediert sowie der Webseite exileletters.de veröffentlicht; sämtliche Texte sind auch in englischer Übersetzung abrufbar. Die insgesamt 162 Selbstzeugnisse der während des Nationalsozialismus getrennten Familie Friedeman-Waldeck erzählen von Flucht und Neuanfang im Exil einerseits und von Verdrängung und Verfolgung der jüdischen Gemeinschaft in Münster durch die Nationalsozialisten andererseits. Acht Jahrzehnte nach der Ermordung von Gerdas Eltern waren zwei Waldeck-Enkelinnen und ein Urenkel eigens aus Florida und North Carolina beziehungsweise aus Quebec angereist, um am 11. Dezember 2024 bei der Projektvorstellung in Münster – eine Kooperation mit der Villa ten Hompel und dem Stadtarchiv – dabei sein zu können.
Die Friedeman-Waldeck-Edition des IStG dient als Pilotprojekt für weitere digitale Briefeditionen, in deren Mittelpunkt ebenfalls Korrespondenzen jüdischer Familien aus Münster stehen. Als nächstes sollen die Briefkonvolute der Familien Kaufmann und Seelig folgen. Diese sind bereits 2021 zum Teil als Band sieben der Reihe „Villa ten Hompel – Sammlung“ gedruckt. Kopien davon befinden sich im Bestand des Dep. 446. Die insgesamt mehr als 700 Briefe der drei Ehepaare Kaufmann, Seelig und Waldeck, die anders als ihre Kinder nicht aus Deutschland entkommen konnten, gelangten in die Emigrationsländer Argentinien, Dänemark, Palästina und USA. Das IStG und die VtH haben für die weitere Erschließung bereits Vorgespräche mit internationalen Kooperationspartnern in Schweden und Israel geführt.