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Ausschnitt eines alten Stadtplans von Münster aus dem Jahre 1862
 
Straßenschild Ringoldgasse
 
 
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Eli-Marcus-Weg

Stadtbezirk:Münster-Nord
Statistischer Bezirk: Kinderhaus-Ost
Entstehung: 1961
Amtsblatt: 22/1961
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Benannt nach Eli Marcus, *26.1.1854 Münster, †13.9.1935 Münster, niederdeutscher Dichter und Lyriker.

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Eli und Anna Marcus auf einem Familienbild um 1920

Eli Marcus entstammte einer alteingesessenen jüdisch-westfälischen Familie und war Kaufmann, Schuhhändler, Antiquitätenhändler und Mundartdichter. Sein Vater war seit 1842 in Münster ansässig und betrieb zuerst an der Rothenburg, später in seinem Eigentum Königsstr. 33 einen Lederhandel. Um 1875 gründete dieser die "Schuhwarenhandlung S. Marcus" , Roggenmarkt 11/12 (später Nr. 9), die nach seinem Tod an die Söhne Eli und Julius überging.

Nach kurzem (?) Besuch der Realschule lebte Eli Marcus drei Jahre lang in der "Privatpensionsanstalt für israelitische Knaben und Jünglinge" des religiös liberal eingestellten Rabbiners Prof. Philipp Heidenheim (1814-1906) in Sondershausen/Thüringen, in der Schüler "aus allen Teilen der Welt" zusammenkamen, um die dortige höhere Lehranstalt zu besuchen. 1870 bis 1872 absolvierte er eine kaufmännische Lehre in Bochum. Danach kehrte er in das väterliche Ledergeschäft in Münster zurück. Nach Bezahlung von 28,50 Mark erhielt er am 12.2.1890 das Bürgerrecht der Stadt Münster. 1893 war er Mitglied im "Verein zur Abwehr des Antisemitismus" .

Ab 1912 nach dem Tod des Bruders, bis zum Verkauf am 10.10.1917 (der Name des Geschäftes wurde beibehalten) war Eli Marcus Alleininhaber des Betriebes. Er wohnte Roggenmarkt 11/12 (1882) und Bogenstraße 17/18 (1896). 1906 zog er in das 1896 erbaute Haus Goebenstraße 1. Er veröffentlichte 1910 einen Beitrag über den befreundeten Münsteraner Bildhauer August Schmiemann (1845 – 1927) und dessen Werk. Bekannt war er auch mit dem Münsteraner Musikdirektor Julius Otto Grimm sowie den Schriftstellern Augustin Wibbelt (1862-1947) und Hermann Löns (1860-1914), der häufig sein Gast war. Von ca. 1920 bis zum 3.12.1936 betrieb er in den Goebenstraße 1 (über dem Eingang war eingraviert "met Mut un Fließ, met Gott alltied") einen "An- und Verkauf wertvoller Altertümer und neuer Kunst", den sein Sohn Julius gen. Uli 1933 übernahm.

Eli Marcus fungierte als Beisitzer im Kaufmannsgericht. Er unterstützte die 1919 gegründete freie Künstlergemeinschaft "Schanze", zu deren Zielen u.a. die Vermittlung der modernen Bildenden Kunst an die Münsteraner und die Förderung ihrer Wertschätzung gehörte. Er gehörte zur Jury, die in den 1920er Jahren Kunstobjekte für die Ausstellung "Das schöne Münster" auswählte. Außerdem war er zweiter Vorsitzender im Verein für jüdische Geschichte und Literatur" . Am bekanntesten war er als Mitglied der "Abendgesellschaft des Zoologischen Gartens", seinerzeit ein bestimmender Faktor des geselligen münsterischen Lebens, die von Professor Landois ins Leben gerufen worden war, um Geldmittel für den 1875 errichteten Zoologischen Garten in Münster zu erhalten. Er gehörte der Gesellschaft seit 1881 an. Bei den bis zum Beginn des 1. Weltkrieges fast jährlich in Münsterländer Platt produzierten Karnevalsspielen war Eli Marcus als Mit- oder Alleinverfasser federführend. Als Nachfolger von Dr. Fritz Westhoff (1857–1896); der bis 1891 die Fastnachtsspiele verfasst hatte, übernahm Eli Marcus 1892 diese Aufgabe. Er beendete nach dem 1. Weltkrieg seine aktive Mitgliedschaft und widmete sich fortan dem Kunsthandel.

Durch die Inflation verlor er sein erarbeitetes Vermögen und musste als 70jähriger wirtschaftlich noch einmal von vorn anfangen. Seine Bühnenstücke und seine plattdeutsche Lyrik waren bedeutend für die Entwicklung der westfälischen Mundart. Zu seinen bekanntesten Gedichtbänden zählen "Schnippsel vom Wege des Lebens" , Düörgemös" und "Sunnenblomen" (1913). Mit 79 Jahren gab er 1933 sein letztes Rundfunkinterview. Während des Dritten Reiches wurde kein einziges Stück von Eli Marcus gespielt, und die münsterischen Zeitungen, die ihn vorher als beliebten Dichter gefeiert hatten, erwähnten weder seinen 80. Geburtstag 1934 noch veröffentlichten sie 1935 zu seinem Tode einen Nachruf. Anlässlich seines 80. Geburtstages schrieb seine Tochter Käte: "Er ist verliebt in seine türme- und giebelreiche Heimatstadt und in das bäuerliche Münsterland mit seinen Wallhecken und seinen endlos hingebreiteten Äckern und Wiesen."

In den letzten drei Jahren seines Lebens konnte er aus gesundheitlichen Gründen das Haus nur noch selten verlassen und freute sich daher über jeden Besucher, der ihm "die Stadt ins Haus" brachte. Beerdigt wurde er auf dem jüdischen Friedhof in Münster.

Nach Ende des NS-Regimes wurden vereinzelt wieder Stücke von Eli Marcus aufgeführt. Anlässlich seines 140. Geburtstages 1994 würdigte die "Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Münster" in Anwesenheit seines Enkels Ernst Palm seine dichterische Leistung mit einer Rezitation aus seinen Werken.

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das Lexikon

Quelle: Gisela Möllenhoff und Rita Schlautmann-Overmeyer, Jüdische Familien in Münster 1918 bis 1945, Teil 1: Biographisches Lexikon, Münster 2001

 

Zitat:
Schon früh gab es [...] Bewegungen, die eine Lanze für den Erhalt und Gebrauch des Plattdeutschen brachen. [...] Stellvertretend für die entschiedenen Verfechter der westfälischen Mundart sei hier der jüdische Lederwaren und Antiquitätenhändler Eli Marcus, *1854, †1935, aus Münster zitiert, der 1913 trotzig darauf bestand:
    Und wenn se alle lacht mi ut,
    Ick bliew an't plattdütsch küren,
    So däftig äss't män will herut,
    Und loat mi gar nich stüren. . . .
    Ick frei mi, datt ick plattdütschk kann
    Lück spriäcken und verstaohen,
    Und well't nich mag, de laot füördann -
    De laot to'm Kuckuck gaohen!

Quelle: Adressbuch der Stadt Münster 1999/2000, Münster 1999, Aufsatz von Dr. Hans-Joachim Böckenholt, Seite 14

  • Lexikon Westfälischer Autorinnen und Autoren   Eli Marcus

Es gibt in Münster 14 Straßen, die nach Dichtern der niederdeutschen Mundart benannt sind:
Anton-Aulke-Straße, Brockmannstraße, Castelleweg, Eli-Marcus-Weg, Falgerstraße, Fritz-Reuter-Straße, Josef-Beckmann-Straße, Mehringweg, Natz-Thier-Weg, Paula-Wilken-Stiege,
10
Rinscheweg, Vollmerweg, Wibbeltstraße und Zumbroockstraße.

 

Im Stadtgebiet Münster gibt es 31 Straßen, die nach Menschen mit jüdischer Abstammung benannt sind:
Alfred-Flechtheim-Platz, Baumgartenweg, Edith-Miltenberg-Weg, Edith-Stein-Straße, Einsteinstraße, Elfriede-Meyer-Weg, Eli-Marcus-Weg, Else-Scheuer-Weg, Goldenbergstraße, Gumprichstraße,
10
Hedwig-Feibes-Weg, Heilbronnweg, Helmut-Pins-Weg, Henny-Uhlmann-Weg, Henny-Waldeck-Weg, Henriette-Hertz-Weg, Henriette-Son-Straße, Hoffmannweg, Jacob-von-Korbach-Weg, Julius-Voos-Gasse,
20
Luise-Rappoport-Weg, Marks-Haindorf-Stiege, Meta-Seelig-Weg, Nanny-Katz-Weg, Philippsweg, Reha-Mathel-Falk-Weg, Simonsplatz, Sonja-Kutner-Weg, Sophie-Heimbach-Weg, Weinbergweg und
30
Zwi-Schulmann-Weg.